Die Patientenbilder
von C.G. Jung

Anonymes Patientenbild, undatiert. Foto: C.G.-Jung-Institut-Zürich-Küsnacht-Bildarchiv.

Sie ist einzigartig und mit keiner anderen Sammlung eines Psychiaters vergleichbar: Die Sammlung C.G. Jung (1875-1961) mit rund 4500 Patientenbildern aus den Jahren 1917 bis 1955, die der berühmte Analytiker und Begründer der Analytischen Psychologie dem 1948 von ihm gegründeten C.G. Jung Institut Zürich vermacht hatte. Zum 70jährigen Jubiläum des Instituts öffnete dieses den Schatz im Rahmen einer Ausstellung im art-brut-„Museum im Lagerhaus“ in St. Gallen erstmals einer breiten Öffentlichkeit. Die Ausstellung „Im Land der Imagination – Die Sammlung C.G. Jung” mit 164 Werken aus dem Archiv ist noch bis 8. Juli zu sehen.

Die Patientenbilder-Sammlung ist deshalb so einzigartig, weil sie sich sowohl von historischen Kunstsammlungen psychiatrische Anstalten als auch im Impuls für die Kunsttätigkeit unterscheidet. Jungs Klienten kamen als Privatpatienten  bzw. -patientinnen zu ihm in die 1909 eröffnete Praxis in Küsnacht am Zürichsee. Dort forderte Jung sie auf, wie er es selbst in seinem berühmten „Roten Buch“ getan hatte, ihre inneren Bilder zu malen und zu zeichnen. In der so genannten Imagination entstanden Bildserien als Teil des therapeutische Prozesses.

Jungs eigene Beschäftigung mit seinen inneren Bildern und Fantasien stellte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kollektiven Unbewussten dar, die schließlich auch zu einer Veränderung seiner analytischen Arbeit führte. Er ermutigte seine Patientinnen, sich auf ähnlichen Selbstversuche einzulassen und zeigte ihnen, wie sie innere Bilder aufsteigen lassen, Visionen im Wachzustand auslösen und wie sie innerhalb Dialoge führen und ihre Fantasien malen konnten. Dabei sollten sie versuchen, so beschreibt es das Museum in seiner Pressedarstellung, „selbst in das Bild hineinzugelangen – zu einer seiner Figuren zu werden.“

Ein besonders Anliegen war ihm das Erkennen von Archetypen. Eines der besten Beispiele für die Universalität eines Archetypus war für ihn das Mandala. Weitere Motive, die sich bei Jung und auch bei den Patienten wiederholen sind u.a: die Schlange, die Sonne, das Licht, Wasser, der Lebensbaum, Räume des Durchgangs und immer wieder der Mensch. „Visionäre, kosmische Darstellungen stehen neben Tier- und Landschaftsbildern, Grotesken neben surreal-fantastischen Szenen“, so die Beschreibung des Museums.

Die imaginative Tätigkeit, das Gestalten von Bildern, das Verständnis von Bildern als Symbolen, aber auch die therapeutische Wirkung der Arbeit mit Bildern, der Aufhebung der Spaltungen in der Psyche durch die symbolische Gestaltung machen das Herzstück von Jungs Theorie und Therapie aus, so die Pressemitteilung weiter. Jung selbst schrieb zur aktiven Imagination: „ Man muss nämlich selbst in die Fantasie eintreten und die Figuren zwingen, Rede und Antwort zu sehen. Dadurch erst wird das Unbewusste dem Bewusstsein integriert, nämlich durch ein dialektische Verfahren, das heißt durch den Dialog zwischen Ihnen und den unbewussten Figuren. Was in der Fantasie geschieht, muss Ihnen geschehen. Sie dürfen sich nicht durch eine Fantasiefigur vertreten lassen. Sie müssen das Ich bewahren und nur modifizieren durch das Unbewusste, wie auch letzteres in seiner Berechtigung anerkannt und nur daran gehindert werden muss, das Ich zu unterdrücken und zu assimilieren.“
Für Jung war die Aktive Imagination ein Weg, um gegen Ende der Analyse vom Analytiker unabhängig zu werden und sich selbständig mit dem Unbewussten auseinandersetzen zu können.

(s. Verena Kast: Die Tiefenpsychologie nach C.G. Jung. Patmos Verlag Ostfildern 2014)

  • Über C.G. Jung   
    C. G. Jung (1875-1961) ist der Begründer der Analytischen Psychologie. Der Schweizer Psychiater beschäftigte sich schon während seiner Medizinstudiums mit dem Spiritismus und besuchte Séancen. 1900 wird er Asssistent von Eugen Bleuler an der Irrenheilanstalt Burghölzli in Zürich, bei dem er sich auch habilitierte. Nach einem Zerwürfnis mit dem Lehrer eröffnete er am Zürichsee seine Privatpraxis. Er befreundete sich mit Freud, war 1910 bis 14 Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Abweichende Vorstellungen insbesondere über das Unbewusste und unterschiedliche Einstellungen zum Irrationalen (Jung nahm parapsychologische Phänomene ernst, die Freud als „Unsinn“ ablehnte) führten schließlich auch hier zum Zerwürfnis. Fortan widmete sich Jung verstärkt seinem Unterbewussten, seinen Träume und seinen Fantasien. Er reiste aber auch viel, so zu den Pueblo-Indianern in Nordamerika, 1925/26 nach Afrika, 1937 nach Indien.
    Jung fügte der Vorstellung des individuellen jene des sogenannten kollektiven Unterbewussten hinzu. Darin erkannte er Grundmuster und Prägungen, die er Archetypen nannte und die sich z.B. auch in Märchen und Machen finden. Für seine Konzepte suchte er Vorläufer und Parallelen in der Kultur und Geistesgeschichte. Er fand sie etwa bei den Gnostikern, Mystikern, Kirchenvätern, aber auch Philosophen wie z.B. Fichte, Nietzsche und Schopenhauer.

Weitere Informationen zu Ausstellung unter:
http://www.museumimlagerhaus.ch

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen:
Ruth Ammann (Hg.) / Verena Kast (Hg.) / Ingrid Riedel (Hg.)
Das Buch der Bilder – Schätze aus dem Archiv des C.G. Jung-Instituts Zürich, 250 Seiten, ca. 250 Abbildungen, Patmos Verlag 2018, 36 euro.
www.patmos.de/das-buch-der-bilder-p-8841.html