Als wäre nichts gewesen: Psychiater wie Willi Baumert, Leiter der zur Ermordung von minderjährigen Patienten bestimmten „Kinderfachabteilung“ in Lüneburg, und Ernst Meumann, Direktor der als Zwischenstation zur „Euthanasie“-Gasmordanstalt Bernburg/Saale dienenden Heil- und Pflegeanstalt Königslutter, konnten nach Kriegsende ihre Karrieren im niedersächsischen Landesdienst fortsetzen. Auch weitere Täter der „Euthanasie“-Morde kamen in den 1950er Jahren an den niedersächsischen Landeskrankenhäusern in leitende Positionen oder konnten relativ ungestört in niedergelassener Praxis arbeiten. Das sind Ergebnisse einer vom Niedersächsischen Sozialministerium in Auftrag gegebenen und heute im Rahmen eines Symposiums in Hannover vorgestellten wissenschaftlichen Studie.
„Es ist schockierend, das Täter aus dem Nationalsozialismus nach 1945 weiter Patientinnen und Patienten behandeln durften, als wäre nichts gewesen – hier haben staatliche Organe versagt“, erklärt Sozialministerin Carola Reimann: „Umso wichtiger ist es, dass wir diese Missstände nun aufarbeiten und öffentlich machen ─ verstehen wir es als Mahnung, ein menschenverachtendes Weltbild hat in der Medizin nichts zu suchen!“
Das Symposium richteten das Ministerium von Dr. Carola Reimann und das Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gemeinsam aus. Die bereits 2016 in Auftrag gegebene Studie „Personelle Kontinuitäten in der Psychiatrie Niedersachsens nach 1945“ ist eine von zwei medizinhistorischen Studien, mit denen das Sozialministerium in seinem Verantwortungsbereich stehende Vorgänge der Nachkriegszeit aufarbeiten lässt. Erste Ergebnisse der zweiten Studie „Medikamentenversuche an Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Heimerziehung in Niedersachsen zwischen 1945 und 1976“ werden 2019 erwartet.
Einen ausführlicheren Bericht lesen Sie in der nächsten Druckausgabe, die am 5. Juli erscheint.