Zur fünften Jubiläumstagung des Triangel-Instituts für Supervision, Organisationsberatung und Coaching trafen sich im November ca. 150 Teilnehmer im Berliner Verdi-Ausbildungszentrum am Wannsee. Ihr Thema: „Ungewissenheit in Übergängen”. Den Eröffnungsvortrag hielt der Psychoanalytiker und Autor Wolfgang Schmidbauer
BERLIN. „Alle Wege sind offen, und was gefunden wird, ist unbekannt“ (Pablo Picasso). Dies war einer der Sätze, der auf den Flipcharts prangte, mit denen die Teilnehmer begrüßt wurden. „Komm! Ins Offene, Freund!“ (Friedrich Hölderlin) lautete ein anderer. Oder: „Ich setzte einen Fuß in die Luft und sie trug“ (Hilde Domin). So wusste man gleich, worum es hier ging: um Ungewissheit und um Angst, um Unsicherheit und Chaos, um Übergänge und ewigen Wandel, und um die Frage, was mit diesen Zuständen und Befindlichkeiten, mit denen Supervisoren und Coaches in heutiger Zeit in Institutionen, Einrichtungen und Kliniken zunehmend konfrontiert sind, zu tun sei.
Harald Pühl, Gründer und Leiter des Triangel-Instituts und Verfasser zahlreicher Bücher und Artikel zum Thema Supervision, begrüßte die Teilnehmer mit einstündiger Verspätung, aber einem gleichwohl gänzlich gelassenen Lächeln auf den Lippen: „Das haben wir extra gemacht. So lernen wir, mit Chaos umzugehen.“ Aha! Soo geht das. Erste Regel also: Auf jeden Fall cool bleiben!
Den Eröffnungsvortrag hielt der Psychoanalytiker und Autor Wolfgang Schmidbauer, den älteren Semestern noch sehr vertraut durch seinen damaligen Bestseller „Hilflose Helfer“. Jetzt sprach er über die „Angst vor der Langsamkeit und den Grenzen der Selbstreflexion“. Sein Beitrag war ein eindringliches Plädoyer gegen die – meist narzisstisch begründeten – schnellen Lösungen, mit denen Berater und Supervisoren oft versuchen, ihre Klienten in ihren Ängsten und Unsicherheiten, die sich meist in Unzufriedenheit und bisweilen entwertender Kritik am Berater zeigen, zu befrieden. Vielmehr gelte es, diesen Resonanzraum zwischen Berater und Klient nicht mit wechselseitigen Bewertungen und vorschnellen Lösungen zu verschließen, sondern diesen offen zu halten zugunsten einer „wirkmöglichen Verlangsamung“ und Rückbesinnung auf die eigenen handwerklichen Möglichkeiten.
Um eine solche Haltung müssen Berater und Supervisoren immer wieder ringen, sie kann immer wieder abhanden kommen, aber auch wiedergewonnen werden, und insgesamt brauchen wir – so Schmidbauer – „satte, gut ausgebildete und nachdenkliche Menschen.“ Einen anderen Fokus setzte am Sonntagmorgen Albert Pietzko (Klinik Heiligenfeld/Bad Kissingen). In seinem Vortrag befasste er sich mit der „Schöpferischen Kraft der Ungewissheit“, mit der Kraft der Sehnsucht und dem Bewusstsein von Zeit, welches uns zwingend in die Ohnmacht führe: „Wir stehen einerseits vor dem Offenen und Unbekannten und erleben gleichzeitig – antizipatorisch – dass das Zukünftige uns zum Abschied führt…“ Der Begrenztheit unseres Lebens können wir nicht entrinnen. Wir befinden uns, so Pietzko, in einem Teufelskreis aus Mangel, Gier, Angst und Entseelung.
Was könnte ein Ausweg sein? Eine Lösung, so Pietzko, könnte darin liegen, Mangel, Angst und Ungewissheit nicht als Gefühle zu verstehen, die es zu beseitigen oder derer es Herr zu werden gilt, sondern als dem Leben und damit uns selbst innewohnende Kräfte zu verstehen, denen wir mit Verantwortung, Akzeptanz und Optimismus begegnen können. Am Ende schloss er mit einem Appell, in den er sich selbst einschloss und in dem er die Anwesenden zu mehr Mut ermunterte: „Und schließlich brauchen wir Mut, dieses Leben ganz mit unserem Herzen zu leben. Mit offenem Herzen…, das dieses Leben liebt, es bewahren will und bereit ist, sich für dieses Leben einzusetzen und zu riskieren. Und das miteinander.“
Es gab viele positive aber auch sehr abgrenzende Resonanzen zu diesem deutlich spirituellen Ansatz, der bisher in der Domäne der Supervision und Organisationsberatung eher wenig Beachtung fand. Aber das könnte sich ändern. Flankiert wurden die beiden Kernvorträge von 12 Workshops, in denen die Thematik der Tagung mit unterschiedlichen Schwerpunkten beleuchtet und diskutiert wurde (der Bogen reichte vom „praktischen Embodiment“ (Carla van Kaldenkerken) über die „Zukunft als Ankunft“ (Katharina Wendt) bis hin zur triadischen Karriereberatung (Kornelia Rappe Giesecke) und zum „Fundamentalismus“ als „interaktioneller Abwehrform bedroht erlebter Identität“ (Renate Ritter)).
Da mit dem 30-jährigen Bestehen des Triangel-Institutes gleichzeitig der siebzigste Geburtstag seines Begründers Harald Pühl gefeiert wurde, gab es abends ein großes Fest. Klaus Obermeyer, langjähriger Wegbegleiter und Mitstreiter des Jubilars, hielt eine ebenso launige wie zauberhafte Laudatio. Den roten Faden durch seine Ansprache bildete die Sehnsucht nach „der Straße“, die dem Jubilar fehle, und das Bild solch offenen Raums ließ die Vermutung zu, dass die Idee zum Thema dieser gelungenen Tagung sicher die seinige war. Martina de Ridder