Kein Alkoholikerdrama, sondern „die Geschichte eines inneren Heilungsprozesses“ (so die Regisseurin) ist der Film „The Outrun“. Er ist ein weiteres Meisterstück der Regisseurin und Drehbuchautorin Nora Fingscheidt („Systemsprenger“). Sie entwickelte das Drehbuch gemeinsam mit der schottischen Autorin Amy Lipotrot, auf derem autobiographischem Buch „Nachtlichter“ der Film basiert.
Der Inhalt in Kürze: Nach mehr als einem Jahrzehnt ausschweifenden Lebens in London kehrt Rona (Saoirse Ronan) in ihre Heimat auf den entlegenen Orkney Inseln zurück. Nachdem sich ihr Freund von ihr getrennt hat und nach einem Alkoholentzug und einer Therapie will sie dort zur Ruhe kommen. Während sie die einzigartige stürmische Landschaft wiederentdeckt, vermischen sich ihre Kindheits-Erinnerungen mit denen der von Sucht geprägten Zeit. Nach und nach kommt sie einem neuen, gesünderen Leben näher.
Nach und nach kommt sie einem gesünderem Leben näher
Dabei war ihr Leben schon von Geburt an vom Wahnsinn geprägt. Ihr Vater ist bipolar. Am Tag ihrer Geburt musste er nach einer manischen Episode in ein Krankenhaus geflogen werden. Später trennt sich die Mutter. Rona fühlt sich auch noch als Erwachsene für den Vater verantwortlich, im Film spielen er und die Schaffarm der Eltern eine tragende Rolle.
Anfangs ist der Film etwas verwirrend, da nicht chronologisch, sondern eher assoziativ erzählt wird. Dem Zuschauer könnte die Farbe von Ronas Haaren als Orientierung dienen. Sie wechselt zwischen blau, rot, wasserstoffblond und blauen Spitzen – je nach Lebensabschnitt. Später, nachdem sie sich in die Einsamkeit einer der kleinsten Orkney-Inseln, Papa Westry, zurückgezogen hat, wo sie für ein Naturschutzprogramm nach dem bedrohten Wachtelkönig sucht, kommt sie zur Ruhe und kann sich schließlich Neuem und dem kleinen sozialen Leben der Insel öffnen.
„Spirituelle Reise in die innere Welt einer Frau”
Nora Fingscheidt beschrieb den Film selbst so: „Ein Film, der einen auf eine Reise mitnimmt, nicht nur nach Orkney oder London, sondern auf eine spirituelle Reise in die innere Welt einer jungen Frau, die unter extremen Umständen aufgewachsen ist und ihren Platz im Leben ohne Alkohol sucht. Es ist eine wahre Geschichte darüber, wie leicht man sein Leben in Stücke reißen kann, aber auch darüber, dass Heilung möglich ist. Es ist nicht nur ein Film über Sucht, sondern auch über den schwierigen Prozess der Genesung, der eine ganz eigene Reise ist, Tag für Tag.“
Übrigens: Die echte Rona, also Amy, lebt seit 2011 ohne Alkohol, wurde 2018 Mutter und zog zwischenzeitlich nach Berlin. A. Hinrichs