„Hamburger*innen haben in einigen Verwaltungsbereichen nur noch digitale Kontaktmöglichkeiten.“ Darauf wies Sabine Braun, Leiterin des Hamburger Projekts Ämterlotsen hin, in dem Ehrenamtliche seit 20 Jahren bei der Kommunikation mit Behörden unterstützen. „Aber gerade für Menschen, die in Armut leben und mit deren Folgen zu kämpfen haben, sind direkte Ansprechpersonen wichtig. Der persönliche Kontakt nimmt den Stress in einer existenzbedrohenden Situation.“
Eine Befragung unter den Mitgliedseinrichtungen der Diakonie bestätigte Brauns Einschätzung. Grundsätzlich sei die Digitalisierung der Hamburger Verwaltung zwar ein notwendiger und sinnvoller Prozess. Allerdings dürften dort, wo Menschen existenziell auf reibungslose Kommunikationswege angewiesen sind, Leistungsansprüche nicht aufgrund digitaler Hürden eingeschränkt werden, heißt es im Abschlussbericht. In manchen Behördenbereichen seien telefonische und persönliche Kommunikationswege unverzichtbar. Die aktuelle Situation, etwa im Jobcenter, führe in der Praxis zu Problemen. Wer beispielsweise einen Antrag auf Mittellosigkeit stellen muss, brauche technische Geräte und digitale Fähigkeiten. Diese Voraussetzungen erfüllten viele leistungsberechtigte Bürger*innen aber nicht und sind deswegen auf die Unterstützung von Beratungsstellen angewiesen.
Auch ältere Menschen werden zunehmend durch die Digitalisierung abgehängt, warnte jüngst eine Altenseelsorgerin. Angesichts einer zunehmenden Verlagerung vieler Alltagsgeschäfte auf Online-Angebote und Online-Dienstleistungen sieht die Theologin Anita Christians-Albrecht ältere Menschen zunehmend von der Digitalisierung ausgeschlossen. „Immerhin hat laut Statistischem Bundesamt 2022 ein Sechstel der 65- bis 74-Jährigen in Deutschland das Internet noch nie genutzt“, sagte die Altenseelsorge-Beauftrage der hannoverschen Landeskirche im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Und zwei Drittel der über 80-Jährigen haben aus unterschiedlichen Gründen keinen Zugang zum Netz.“
„Ältere brauchen oft eine andere Ansprache und verbindlichere Formen der Begegnung“, betonte Christians-Albrecht. In den sozialen Medien neigten viele Menschen dazu, sich miteinander zu vergleichen, führte die evangelische Pastorin aus. Gerade ältere Menschen hätten die Sorge, „in einer virtuellen Welt, in der die meisten vermeintlich jung, schön, dynamisch und erfolgreich sind“, nicht bestehen zu können. Dadurch verstärke sich ein womöglich ohnehin schon vorhandenes Gefühl von Einsamkeit.
Dieses werde durch die „Entkörperlichung“ im Internet zusätzlich zu einer „haptischen Einsamkeit“ verschärft. „Der kurze Schwatz mit der Kassiererin im Supermarkt entfällt beim Online-Shopping natürlich, der Hausarzt am Bildschirm kann der älteren Patientin nicht tröstend oder ermutigend die Hand auf die Schulter legen, und die Enkel zu umarmen ist etwas anderes, als nur mit ihnen zu chatten“, sagte Christians-Albrecht.
Die Altenseelsorge-Beauftragte forderte mehr Verständnis für Ältere, die kein Interesse mehr daran haben, mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Ihre „Sturheit“ könne sogar äußerst wertvoll für die Gesellschaft sein. „Sie halten uns in unserem Leistungsdenken, unserem unablässigen Strampeln, einen Spiegel vor und sagen gewissermaßen: Lass mal gut sein. Sie werfen die Frage auf: Wovon lassen wir uns eigentlich bestimmen? Und: Ist es das tatsächlich wert?“
rd / epd