Psychiatriegesetz:
Bayern entschärft

Das Bild zeigt die Bayerische Staatskanzlei.Bayerische Staatskanzlei - Ostseite. Foto: Julian Herzog (http://julianherzog.com)

Aktualisierung:

Nach heftiger Kritik von allen Seiten und einer Expertenanhörung am 24. April  im Bayerischen Landtag hat die bayerische Staatsregierung ihren umstrittenen Entwurf für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz deutlich entschärft. So wird u.a. auf eine Zentraldatei verzichtet, in der sämtliche in der Psychiatrie untergebrachten Patienten erfasst werden sollen.

Ausführliche Informationen bietet die Süddeutsche Zeitung: http://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-staatsregierung-entschaerft-umstrittenes-psychiatriegesetz-1.3956804

 

Am 17.4. veröffentlichten wir:

In Bayern ist ein neues Psychiatriegesetz (BayPsychKHG) auf dem Weg, das in Teilen stark kritisiert wird. Hintergrund sind Bestimmungen zur Gefahrenabwehr – sowie eine Datensammlung. Die Gefahrenabwehr stehe zu sehr im Vordergrund, so die Kritiker der Neuregelungen, mit denen das alte Unterbringungsgesetz von 1992 abgelöst werden soll – unter Berücksichtigung der Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention.

Im Fokus der Kritik stehen Regelungen zum Umgang mit nicht straffällig gewordenen psychisch Kranken, die als gefährlich für sich selbst oder andere eingeschätzt werden und präventiv in einer Klinik untergebracht sind. Bemängelt wird die Nähe zum Maßregelvollzugsgesetz. Auf dieses verweist der derzeitige Gesetzesentwurf und übernimmt einzelne Bestimmungen: So sollen Besuche bei befürchteter Gefährdung mit der Videokamera überwacht werden können. Zudem werde u.a. festgelegt, wann es möglich ist, Besuche oder Telefonate zu verbieten oder zu überwachen. Namhafte Klinikleiter und Psychiater aus ganz Deutschland kritisierten die Unterbringungs-Regelungen als „in höchstem Maße diskriminierend“, berichtete der Bayerische Rundfunk (BR). Der Gesetzesentwurf könne deshalb nur „in Gesamtheit“ abgelehnt werden, heißt es demnach in einer Stellungnahme mehrerer Fachorganisationen zusammen mit der Bundesdirektorenkonferenz.

 Daten sollen für fünf Jahre gespeichert werden

Auf breite Ablehnung stößt ferner die sogenannte Unterbringungsdatei. Hier sollen die Daten von allen Patienten gespeichert werden, die auf richterliche Anordnung in einer Psychiatrie untergebracht waren. Name, Geburtsdatum, Diagnose und Unterbringungsdauer soll – laut spiegel-online – für mindestens fünf Jahre gespeichert bleiben und auch auch Behörden und der Polizei zugänglich sein. Darüber hinaus sieht der jetzige Gesetzesentwurf laut BR vor, dass die zuständige Polizeidienststelle informiert wird, wenn der untergebrachte Patient aus der Psychiatrie entlassen wird.

Auch die DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde) kritisiert „aufs Schärfste” den aktuellen Entwurf. Menschen mit psychischen Erkrankungen dürfen in keinem Fall mit psychisch kranken Straftätern und Kriminellen gleichgesetzt werden und zur Gefahrenabwehr nach den Vorschriften des Strafgesetzes oder Maßregelvollzugs gegen ihren Willen behandelt und untergebracht werden. Sie darüber hinaus als „Gefährder“ einzustufen und lege artis ihre Daten zur Gefahrenabwehr langfristig zu speichern, sei unethisch und menschenunwürdig und als ein Rückschritt für eine moderne, rechtsstaatliche Gesellschaft zu bewerten.

    Lob für einen landesweiten Krisendienst

Lob gibt es für den zweiten, den Hilfeteil im Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG). So soll der – bereits in Oberbayern und Mittelfranken installierte – Krisendienst auf ganz Bayern ausgeweitet und rund um die Uhr besetzt sein. Dafür werden 8,7 Millionen Euro eingeplant.

Professor Arno Deister, Präsident der DGPPN, machte allerdings deutlich: „So ist es vollkommen unverständlich, „dass dem Thema „Stärkung der psychiatrischen Versorgung“ im Gesetzesentwurf nur eine Seite gewidmet wird, während die Regelungen zur „Öffentlich-rechtlichen Unterbringung“, zum „Datenschutz“ und zu den „Schlussvorschriften“ die übrigen 80 Seiten des Dokumentes füllen. Diese Herangehensweise kann nur Ausdruck von Vorurteilen und mangelnder Information über Menschen mit psychischen Erkrankungen sein.” Die Fachgesellschaft schlägt der Bayerischen Landesregierung vor, ihr geplantes Gesetzesvorhaben zu überarbeiten. Sie stehe ihr dabei   zusammen mit dem „Aktionsbündnis Bayerisches Psychiatrie-Kranken-Hilfe-Gesetz“  beratend zur Verfügung. (Mehr zur Position der DGPPN unter: https://www.dgppn.de/schwerpunkte/menschenrechte.html )

Bayern hat bundesweit die höchsten Unterbringungszahlen. Erklärtes Ziel ist daher, die Zwangseinweisungen soweit möglich zu verringern. Laut Bayerischem Rundfunk wurden in Bayern  2015 etwa 60.000 Menschen gegen ihren Willen in eine Psychiatrie gebracht. Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen zählte demnach im gleichen  Jahr circa 48.000 Zwangseinweisungen – bei eineinhalb Mal so vielen Einwohnern.

 

Quellen siehe:
http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/bayern-will-daten-von-psychiatrie-patienten-ueber-jahre-speichern-a-1203187.html
https://www.br.de/nachrichten/warum-das-bayerische-psychiatriegesetz-in-der-kritik-steht100.html