Über Suizid reden –
eine Anregung

Ein Hilferuf? Szene aus dem im Sepulkralmuseum gezeigten Film „Weit weit weg“ von Bjørn Melhus. © Bjørn Melhus | VG Bild-Kunst

Suizid ist ein Tabuthema – niemand redet gerne darüber, als Todesursache wird die Selbsttötung gerne verschwiegen – auch bei Prominenten. Das Museum für Sepulkralkultur Kassel (lat. sepulcrum, „Grab(lege)“), das sich seit 1992 mit den Themenfeldern Sterben, Tod, Trauer und Gedenken befasst, versucht die Sprachlosigkeit in einer Ausstellung aufzubrechen. Seit 10. September bis zum 27. Februar 2022 heißt es nüchtern „Suizid – Let’s talk about it!“.

Projekt sucht eine neue Sprache der Annäherung

Das Projekt wird geleitet vom Direktor des Museums Dr. Dirk Pörschmann und Kuratorin Tatjana Ahle sowie dem Suizidologen Prof. Dr. Reinhard Lindner, der an der Universität Kassel am Institut für Sozialwesen lehrt.
Über Stimmen Betroffener, epidemiologische Daten und inhaltsbezogene Forschung auf dem Gebiet der Human- und Geisteswissenschaften sucht das Museum mit diesem Projekt einen Weg, eine neue Sprache für die Annäherung an Suizid und Suizidalität und die daran knüpfenden Erfahrungshorizonte von Schmerz, Trauer und Schweigen zu finden.

Zu sehen gibt es künstlerische Arbeiten, z.B. von Nicole Torke (D, Installation), Donna J. Wan und Francesca Woodman (USA, Fotografie), Akachukwu Chukwuemeka Benjamin (Nigeria, Malerei), Steffen Kverneland (NOR, Graphic Novel), Shelley Jacobson (NZL, Prints), Georg Kolbe (D, Plastik), Jaan Toomik (EST, Spielfilm), Bjørn Melhus (D, Video), Pat Sullivan (AUS) & Otto Messmer (USA, Trickfilm) und Thijs Rijkers (NL, Installation). Neben Cartoons werden außerdem kulturhistorische Exponate ausgestellt wie Gemälde, Skulpturen, Grabsteinmodelle und weitere Artefakte sowie Dokumente und Plakate.

Ziele: Enttabuisierung, Entstigmatisierung und Suizidprävention

Die Ausstellung solle der Enttabuisierung und Entstigmatisierung des Suizids und der Erfahrungen und Umstände, die ihn auslösen, dienen, so die Macher. Neben der Ausstellung wird es auch ein umfassendes Begleitprogramm und eine Buchpublikation geben. Ein halbes Jahr lang werden das Museum und auch die Partner dieses Gesamtprojektes Ort einer intensiven Auseinandersetzung mit den Gründen für das Unbehagen gegenüber einem selbstgewählten Lebensende sein. Einem Lebensende, das durch eigenes Handeln oder Unterlassen aktiv angestrebt wird und dessen Wahrnehmung zum Teil noch immer historisch gewachsenen Urteilssprüchen folgt und Betroffene mit Fragen und Ängsten konfrontiert.


Vor allem ist es das erklärte Ziel des Projektes, über die Auseinandersetzung mit dem Suizid und das Sprechen über ihn sowie über psychosoziale Problemlagen einen wirksamen Beitrag zur Suizidprävention zu leisten. Mithilfe lokaler, nationaler und internationaler Kooperationen sollen innovative künstlerische, kulturelle und wissenschaftliche Beiträge dieses Anliegen stützen. Gemeinplätze und Vorurteile mit positiven oder negativen Konnotationen sollen aufgezeigt und diskutiert werden. Und es wird auch nach einer Utopie gefragt: Wie könnte eine Gesellschaft beschaffen sein, aus der niemand wegen seiner Leiden den selbst herbeigeführten Tod wählen müsste und möchte? (rd)

Weitere Infos unter: http://www.sepulkralmuseum.de/suizid