Vermieter können einem suizidgefährdeten Mieter nicht ohne Weiteres per Zwangsräumung die Wohnung nehmen. Doch stellt ein Gericht das Verfahren um die Zwangsräumung wegen einer erheblichen Gefahr für die körperliche Unversehrtheit eines psychisch kranken Mieters befristet ein, muss es auch Auflagen prüfen, damit der Eigentümer zumindest weiter seine Miete erhält, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: I ZB 11/23) Der Mieter könne auch zur Mitwirkung gegenüber den Sozialbehörden verpflichtet werden, damit diese Mietzahlungen und -schulden übernehmen, so die Karlsruher Richter.
Im konkreten Streit ging es um einen 58-jährigen behinderten Mieter eines Hauses aus dem Raum Bernau bei Berlin. Er geriet mit dem neuen Vermieter wegen behaupteter Mietmängel aneinander. Als er daraufhin die Miete minderte, kündigte der Wohnungseigentümer wegen unterbliebener Zahlungen das Mietverhältnis und strengte zugleich ein Verfahren zur Zwangsräumung an.
Der Mieter beantragte jedoch Räumungsschutz und verlangte die Einstellung der Zwangsräumung. Er verwies nicht nur auf seine drohende Obdachlosigkeit, sondern auch auf zahlreiche erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, darunter Depressionen.
Ein vom Landgericht Frankfurt/Oder beauftragter Sachverständige stellte wegen der drohenden Zwangsräumung bei dem Mann eine erhebliche Suizidgefahr fest. Eine Therapie des psychisch Kranken sei mangels Motivation nicht erfolgversprechend. Das Landgericht stellte daraufhin das Zwangsvollstreckungsverfahren befristet für zwei Jahre ein. Der Lebensschutz habe Vorrang, hieß es zur Begründung.
Der BGH verwies das Verfahren an das Landgericht zurück. Bestehe wegen der beabsichtigten Zwangsräumung eine erhebliche Suizidgefahr, könne im Einzelfall wegen der Gefahr für Leib oder Leben das Verfahren befristet eingestellt werden. Dem psychisch Kranken sei es jedoch zuzumuten, „auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hinzuwirken“. Hier hätte das Landgericht entsprechende Auflagen prüfen müssen.
Zudem dürfe auch das Vermögensinteresse des Vermieters nicht außer Betracht bleiben. So könnten gerichtliche Auflagen sicherstellen, dass der Eigentümer seine Miete erhält und bereits aufgelaufene Mietschulden beglichen werden. Der psychisch kranke Mieter könne zur Mitwirkung gegenüber den Sozialbehörden verpflichtet werden, damit diese die Mietschulden übernehmen.
epd