HAMBURG/BERLIN (hin). Wieviel Personal steht zur Verfügung und wo wird dieses eingesetzt? Eine Qualitäts-Schlüsselfrage der Psychiatrie und hier von höherer Wertigkeit als in anderen medizinischen Bereichen. Doch Antworten sind derzeit für einzelne Kliniken schwer zu finden, wie einmal mehr eine aktuelle Untersuchung der Bundespsychotherapeutenkammer BPtK zeigt. Diese ließ die Qualitätsberichte der Krankenhäuser in Bayern, Hamburg und Sachsen hinsichtlich der Angaben zur Personalausstattung auswerten. Ergebnis: Verlässliche Aussagen über Personalstärken lassen sich aus den Berichten nicht ableiten. Erst auf der Basis „umfangreicher zusätzlicher Recherchen“ werde deutlich, dass „die Personalvorgaben der Psych-PV in vielen Häusern unterschritten werden“, so die BPtK.
In fast neun von zehn (86 Prozent) der allgemeinpsychiatrischen und psychosomatischen Kliniken und Abteilungen gibt es ausreichend ärztliches Personal. Doch: Verglichen mit der Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) verfüge die Hälfte der Kliniken und Fachabteilungen der Erwachsenenpsychiatrie nicht über genug Pflegekräfte. „Das kann für Patienten dramatische Folgen haben, insbesondere wenn die Nachtwachen auf den Stationen nicht ausreichend besetzt sind“, macht BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz deutlich. „Akute Krisensituationen, in denen ein Patient beispielsweise sich selbst oder andere zu gefährden droht, sind dann kaum noch ohne Schaden für Patient oder Personal zu bewältigen.“ Auch die Zahl der Zwangsbehandlungen und -maßnahmen erhöhe sich, wenn nicht ausreichend Pflegepersonal für eine 1:1-Betreuung zur Verfügung stehe.
Wie steht es um psychotherapeutisches Personal? Gut ist erwartungsgemäß die Ausstattung der Psychosomatiken, die zu 95 Prozent PsychPVgemäß ausgestattet sind – während bei den Allgemeinpsychiatrien nur 75 Prozent über verordnungsgemäß ausreichende psychotherapeutische Kapazitäten verfügen. Weitere Ergebnisse: Fachkrankenhäuser sind offenbar insgesamt weniger in der Lage, die Vorgaben im ärztlichen und therapeutischen Bereich zu erfüllen. Da sie häufiger auch in ländlichen oder strukturschwachen Gegenden liegen, mache sich hier unter Umständen der Fachkräftemangel gerade im ärztlichen Bereich schon deutlicher bemerkbar, heißt es in der Studie.
Auch von Bundesland zu Bundesland gibt es Unterschiede: In Hamburg (92 Prozent) und Bayern (87 Prozent) verfügen rund neun von zehn Kliniken und Abteilungen über ausreichend Ärzte, in Sachsen nur acht von zehn. Sächsische Kliniken verfügen auch nur zu 67 Prozent über ein ausreichendes psychotherapeutisches Angebot. Was die Pflege angeht, sei die Lage in Hamburg „besonders katastrophal“: „Dort erfüllen nur 25 Prozent der Einrichtungen die Mindestvorgaben der Psych-PV“, heißt es in der Untersuchung. Und: Während es in der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung wenig Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen sowie freigemeinnützigen Trägern gab, waren diese im Pflegebereich eklatant. Nur 24 Prozent der privaten Kliniken waren gemäß PsychPV ausgestattet – gegenüber 48 Prozent der Psychiatrien in öffentlicher Hand und 38 Prozent bei den freigemeinnützigen Trägern.
Vor dem Hintergrund der unzureichenden Personalsituation begrüßt die BPtK ausdrücklich die im Entwurf zur „Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“ (PsychVVG) vorgesehene Verpflichtung der Kliniken, die Umsetzung der in Budgetverhandlungen mit den Kassen vereinbarten Stellenzahl nachzuweisen und die Daten an das Institut für das Entgeltsystem zu übermitteln. Zudem fordert die Kammer, die Personalausstattung auch in den Qualitätsberichten auszuweisen. Was im PsychVVG noch fehle, seien gesetzliche Grundlagen für eine bessere Beschreibung der Leistungen in den Kliniken. Die BPtK hält es deshalb für notwendig, den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) neu zu konzipieren. Dieser erfasse in derzeitiger Form zwar die Therapieeinheiten einzelner Berufsgruppen, unterscheide dabei zum Beispiel aber nicht, „ob es sich um Psychotherapie mit dem Patienten handelt oder um ein Gespräch mit einem Behördenvertreter über den Patienten“.