„Die Nachfrage nach Psychotherapie hat während der Corona-Pandemie stark zugenommen“, sagte Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). Er verwies dabei auf eine Blitzumfrage seines Verbandes unter knapp 4670 psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten. Demnach stiegen die Patientenanfragen in den Praxen in den beiden Wochen Ende Januar und Anfang Februar 2021 im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um durchschnittlich 40 Prozent.
Die Hälfte der Anfragenden müsse laut Umfrage länger als einen Monat auf ein Erstgespräch warten. „Das ist Patient*innen nicht zumutbar, die Praxen unserer Mitglieder werden förmlich überrannt“, so der Bundesvorsitzende. Nötig sei ein schnelles und unbürokratisches Angebot – etwa eine Akutbehandlung per psychotherapeutischer Videositzung. Ferner forderte er, die psychotherapeutische Telefonkonsultation allen Anfragenden zugänglich zu machen – nicht nur den Patient*innen, die sich bereits in Therapie befinden.
Nur zehn Prozent können sofort behandelt werden
Wurden im vergangenen Jahr im Schnitt 4,9 Patientenanfragen pro Woche gestellt, waren es 2021 6,9 Anfragen. Allein der Anteil an Psychotherapeut*innen, die mehr als zehn Anfragen pro Woche erhielten, verdoppelte sich dabei. Nur zehn Prozent der Anfragenden könnten innerhalb eines Monats einen Behandlungsplatz erhalten. 38 Prozent müsse länger als sechs Monate warten.
In den psychotherapeutischen Privatpraxen (6,3 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen) sieht es nicht besser aus. Die aktuelle Anzahl der Patientenanfragen liege hier mit sechs pro Woche etwas niedriger als in Kassenpraxen (7,1 pro Woche). Im Vergleich zum Januar 2020 betrage die Zunahme der Anfragen jedoch 61 Prozent. Nur jeder/m fünften Patient*in könne in der Privatpraxis zur Zeit ein Termin für ein Erstgespräch angeboten werden. „Die Situation der Patient*innen könnte man derzeit kurzfristig verbessern, wenn die Krankenkassen Kostenerstattungsanträge nach §13 Abs. 3 SGB V schneller bewilligten. Das bedeutet, dass gesetzliche Versicherten auch die Therapie bei privaten Psychotherapeut*innen bezahlt wird“, sagt Gebhard Hentschel.
Abrechnungen bestätigen Trend
Der Trend bestätigt sich bei Abrechnungen für Psychotherapie. Die Zahl eingereichter Rechnungen für Psychotherapie bei der Debeka erhöhte sich im Dezember gegenüber dem Vorjahr um 12,4 Prozent, wie die “Welt am Sonntag” unter Berufung auf eine Auswertung der privaten Krankenversicherung mit Sitz in Koblenz berichtete. Im November seien es sogar 26,7 Prozent gewesen und im Oktober zwölf Prozent.
“Viele Menschen sagen, dass es ihnen zunehmend schwerfällt, mit der Corona-Pandemie umzugehen”, sagte Debeka-Chef Thomas Brahm der Zeitung. Selbst wenn sich die Auswirkungen erst mit leichten Verzögerungen erfassen ließen, ergebe sich ein klares Bild. “Während in der Phase des ersten Lockdowns ein deutlicher Rückgang bei den Behandlungen zu verzeichnen warsehen wir in den letzten Monaten des Jahres 2020 einen sehr starken Anstieg”, erklärte Brahm.
Andere Krankenversicherer bestätigen laut Bericht diesen Befund: Bei der IKK Südwest sei die Zahl der genehmigten Anträge auf Psychotherapie sogar um fast 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die AOK beobachte zwar keinen signifikanten Anstieg bei den Anträgen auf Psychotherapien, dafür aber eine “sprunghafte Zunahme der Länge der Krankschreibungen” wegen psychischer Probleme. Diese sei im ersten Dreivierteljahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Tage gestiegen. (rd/epd)