Medizintourismus im Sinkflug

Insbesondere aus den Golfstaaten flogen zuletzt weniger Medizintouristen ein. Foto: pixabay

Der Medizintourismus nach Deutschland ist erstmal seit Jahren gesunken. 2016 ließen sich mehr als 253.000 Patienten aus 181 Ländern stationär oder ambulant in Deutschland behandeln. Das brachte dem deutschen Gesundheitssystem Einnahmen von über 1,2 Milliarden Euro. Die Auslands-Patientenzahlen gegenüber 2015 gingen insgesamt um 1,1 Prozent zurück. Die Nachfrage aus den Golfstaaten ist  massiv eingebrochen. 

Russland verzeichnete einen Rückgang von rund 13 Prozent und Kasachstan von 32 Prozent. Allerdings könnte bereits 2017 die Talsohle erreicht sein und vor allem aus Russland wieder mehr Patienten in deutsche Gesundheitseinrichtungen kommen, meint Jens Juszczak von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). In der Ukraine sei es bereits zur Trendumkehr gekommen, hier stiegen die Patientenzahlen um fast 8 Prozent. Aufgrund der im Jahr 2017 in Kraft getretenen Visafreiheit dürfte sich dies in den Folgejahren fortsetzen.

Die Zahlen der medizinischen Behandlungsreisen aus den Golfstaaten brachen indes massiv ein: Vereinigte Arabische Emirate (-8 %), Saudi-Arabien (-20 %), Katar (-13 %) und Oman
(-36 %). Als Hintergründe nennt die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS)  in einer Pressemitteilung: Haushaltsdefizite, die Einführung der Mehrwertsteuer in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Budgetkürzungen in vielen Bereichen. Auch außenpolitische Krisen in der Golfregion sowie innenpolitisch das Vorgehen gegen Korruption und Veruntreuung in einzelnen Golfstaaten verschärften den Trend.

Letzteres sei derzeit besonders an Kuwait nachvollziehbar: 2016 kamen zwar fast 13 % mehr Patienten aus dem Emirat zur Behandlung nach Deutschland. Doch:  Im vergangenen Jahr löste die Abwicklung dieser Medizinreisen „einen bisher beispiellosen Skandal” aus, kuwaitische Medien sprechen gar vom „größten Raub aller Zeiten“. Hunderte Millionen Euro an von Staat bewilligten Geldern für Behandlung und Aufenthalt der Patienten seien verschwunden, ins Ausland geflossen oder ohne jegliche Belege ausgezahlt worden. Eine vom Parlament eingesetzte Untersuchungskommission empfahl nach ihrer Deutschlandreise unter anderem die Begrenzung der Behandlungsreisen ins Ausland, den stetigen Einsatz von Wirtschafts- und Rechnungsprüfern sowie die Beendigung der Zusammenarbeit mit Patientendienstleistern, sogenannten Patientenvermittlern.

„Die vergleichsweise schlechte Organisation in den eigenen Konsulaten sowie die geringe Transparenz bei der Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Kliniken führen zu einer großen Verunsicherung in den arabischen Ministerien“, so Juszczak. Klare Strukturen und Regelungen bei der Zusammenarbeit, geschultes Personal und eine stetige Kontrolle und Zertifizierung der beteiligten Akteure anhand objektiver Kriterien könnten dazu beitragen, wieder Vertrauen auf allen Seiten schaffen.   (Idw)