Literatur als Selbsttherapie: Aus dem Leben von Hartmut Haker

Er schreibt viel. Und schreiben macht ihm viel Spaß, sagt Hartmut Haker: „Ich finde dabei Antworten und Lösungen auf das, was mich beschäftigt.“ Fotos: GöttscheEr schreibt viel. Und schreiben macht ihm viel Spaß, sagt Hartmut Haker: „Ich finde dabei Antworten und Lösungen auf das, was mich beschäftigt.“ Fotos: Göttsche

HAMBURG. Kleine Erzählungen, Tagebuchskizzen: Geschrieben hat Hartmut Haker schon in seiner frühen Jugend. „Das ist einfach mein Medium“, sagt er. Es sollte in seinem weiteren Leben jedoch viel mehr werden: Der Weg des Schreibens ist für ihn der Weg zum Gesundwerden geworden.

Im Alter von 20 Jahren nimmt sein Leben eine schicksalhafte Wendung: Er beginnt exzessiv zu trinken, wird spielsüchtig. Sein bis dahin geordnetes Leben – der gebürtige Schweriner hat bereits einige Jura-Semester an der Uni Greifswald hinter sich – gerät völlig aus dem Gleichgewicht. „Eine unglückliche Liebe könnte der Auslöser gewesen sein“, vermutet der heute 42-Jährige. Nicht nur das: Zuvor hatten sich seine Eltern getrennt, worunter Haker ebenso sehr gelitten hat wie unter dem hohen Leistungsanspruch seines Vaters ihm gegenüber. Haker wird seelisch krank. „Innerhalb weniger Wochen hatte ich völlig abgebaut und wurde von Verfolgungswahn, Ängsten und Halluzinationen heimgesucht.“ Er zieht sich in die Wohnung eines Freundes zurück – nach wenigen Tagen muss der Notarzt gerufen werden. Bei ihm wird eine schizo-affektive Episode diagnostiziert. Der verzweifelte Jura-Student willigt in einen Psychiatrie-Aufenthalt ein. „Medikamente und Psychotherapie zeigten Wirkung, ich konnte entlassen werden. Aber in der Folgezeit verschlechterte sich mein Zustand erneut, die Ängste kehrten zurück“, erinnert er sich an den ersten von vielen Rückfällen, die ihn wiederholt in die Klinik führen sollten.

Haker besinnt sich schon bald auf seine eigenen Kräfte und sein Talent: Er bringt seine inneren und äußeren Erlebnisse und Eindrücke zu Papier und beginnt damit, „sich gesund zu schreiben“, wie er sagt – um damit auch anderen Menschen mit ähnlichem Schicksal Mut zu machen sowie einen Beitrag zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung psychischer Krankhei-
ten zu leisten. Dabei bewies er Hartnäckigkeit: Zehn Verlagsabsagen musste er in Kauf nehmen, bis 1999 mit „Station 23 – Begegnungen in der Psychiatrie“ sein erstes Buch erschien.
Ein Theaterstück und weitere Prosa folgten: Fünf Bücher innerhalb von 17 Jahren – das bedeutet jede Menge Arbeit und vor allem Selbstdisziplin, schließlich arbeitet Haker in Vollzeit in einem Ratzeburger Ingenieursbüro, ist verheiratet und Vater eines dreijährigen Sohnes.
„Ich schreibe viel mit der Hand“, beschreibt er seine literarische Arbeitsweise. Zuvor hält er Handlung, Charaktere und Gliederung auf großen Papierbögen an der Wand seines Schreibzimmers fest – Haker geht systematisch vor. Nach etwa 20 Seiten überträgt er die Manuskriptseiten in den Computer, um das Geschriebene dabei gleichzeitig zu redigieren. „Darum ist die Zeit, die ein Buch bis zur Vollendung benötigt, auch nicht genau planbar.“
Er beschäftigt sich fast jeden Tag mit dem, was er aktuell zu Papier bringt: „Schreiben macht mir sehr viel Spaß“, sagt er. Es sei wie eine permanente Therapie: „Ich finde dabei Antworten und Lösungen auf das, was mich beschäftigt.“

Hartmut Haker hat sich mit seinen Werken bereits einen Namen gemacht und wird regelmäßig zu Lesungen im gesamten Bundesgebiet eingeladen. Kürzlich erst las er in Hamburg (siehe unten). Michael Göttsche