„,Euthanasie’-Opfer offiziell
als Naziopfer anerkennen”

Der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland (ABiD) fordert anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar eine offizielle Anerkennung der Opfer der sogenannten NS-„Euthanasie“-Programme. Nach wie vor würden die vielen behinderten Menschen, die von den Nazis auf grausamste Weise umgebracht wurden, als „Euthanasie“-Opfer bezeichnet, beklagte der Verband am Donnerstag in Berlin. Das sei eine Beschönigung und eine Verharmlosung der tatsächlichen Vorgänge. Das gleiche hatte zuvor auch Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, gefordert.

„Es ist höchste Zeit, diesen Schritt zu vollziehen und den Opfern den Respekt zu erweisen, den sie verdient haben“, sagte der Verbandsvorsitzende Marcus Graubner. Die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, wonach die Opfer der „Euthanasiemorde“ offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt werden sollen, machten Mut für diese Entscheidung, müssten jetzt aber schnell realisiert werden, forderte er.

Im Zuge der sogenannten Aktion T4 wurden mehr als 70.000 Morde an Patient*innen aus Heil- und Pflegeanstalten verübt. Insgesamt wurden in Einrichtungen des Deutschen Reichs 200.000 Menschen in verdeckten Aktionen ermordet, erinnerte Dusel. „Sie wurden vergast oder durch Medikamente getötet. An ihnen wurden medizinische Versuche verübt oder sie wurden ,Hungerbehandlungen’ unterzogen. Alles aus Sicht der Nationalsozialisten ,Lebensunwerte’ sollte vernichtet werden. Europaweit wird von 300.000 Tötungen ausgegangen. Hinzu kommen 400.000 Opfer von Zwangssterilisierungen.”

Am 27. Januar 1945 wurde das NS-Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit, 1996 wurde der Tag in Deutschland zum nationalen Gedenktag erklärt. Üblicherweise findet am 27. Januar eine Kranzniederlegung mit einem gemeinsamen Gedenken am Gedenkort T4 in der Berliner Tiergartenstraße statt. Pandemiebedingt wird dies in diesem Jahr nicht stattfinden. Jürgen Dusel veröffentlichte stattdessen eine Videobotschaft und legte im Laufe des Tages in aller Stille einen Kranz nieder. (epd/rd)