FDP, Grüne und Linke wollen vor dem Bundesverfassungsgericht ein Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen schon zur Europawahl einklagen. Die Oppositionsfraktionen im Bundestag haben eine entsprechende einstweilige Anordnung beantragt, wie die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, sowie die Rechtspolitiker Stephan Thomae (FDP) und Friedrich Straetmanns (Linke) am Mittwoch in Berlin mitteilten. In den Bundesländern Niedersachsen und Rheinland-Pfalz können Behinderte schon im Mai an Kommunalwahlen teilnehmen.
Der Bundestag hatte am Freitag vergangener Woche beschlossen, dass künftig auch behinderte Menschen mit Vollbetreuung wählen und für eine Wahl kandidieren dürfen. Der mehrheitlich angenommene Antrag der Koalitionsfraktionen sieht aber vor, dass die Reform erst zum 1. Juli in Kraft tritt und damit zur Europawahl Ende Mai noch nicht wirksam ist.
Die Reform sieht auch vor, schuldunfähigen psychisch kranken Straftätern, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, die Wahlberechtigung zu erteilen. Mit der Gesetzesnovelle wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, das in diesem Jahr entschieden hatte, dass Behinderte nicht von Wahlen ausgeschlossen werden dürfen.
Es grenze an eine Missachtung des Gerichts und an “Arbeitsverweigerung”, dies nicht schon zur Europawahl am 26. Mai umzusetzen, sagte der FDP-Abgeordnete Thomae. Haßelmann und Straetmanns erklärten, Behinderte bei der nächsten anstehenden Wahl weiter vom Wahlrecht auszuschließen, sei diskriminierend.
In Rheinland-Pfalz sollen dennoch schon im Mai rechtlich betreute behinderte Menschen ihre Bürgermeister und Stadträte wählen können. Das sieht eine geplante Änderung des Kommunalwahlgesetzes vor, auf die sich die Regierungsfraktionen SPD, FDP und Grüne und die oppositionelle CDU geeinigt haben. Damit kommt es voraussichtlich zu der kuriosen Situation, dass bislang vom Wahlrecht ausgeschlossene psychisch Kranke und Behinderte am 26. Mai zwar an den landesweiten Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, nicht jedoch an der zeitgleich stattfindenden Europawahl.
Auch Niedersachsen will das Wahlrecht für Behinderte schnell einführen. “Menschen mit Behinderungen dürfen schon im Mai Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wählen”, sagte Sozialministerin Carola Reimann (SPD) in Hannover. (epd)