NEUMÜNSTER (rd). Fritz Bremers Tochter ist 21 Jahre alt und infolge einer neurologischen Erkrankung schwer geistig und körperlich behindert. Sie wohnt, wird gepflegt und betreut in einer vollstationären Wohngruppe (EGH). Tagsüber wird sie in einer Tagesstätte angeleitet und betreut – ebenfalls eine Einrichtung der Eingliederungshilfe. Sollte das Teilhabegesetz wie geplant verabschiedet werden, würde sich ihr Leben grundlegend ändern, fürchtet Bremer.
„Sie ist rundum auf Pflege und Betreuung angewiesen. Sonst könnte sie nicht leben und auch nicht dazugehören und teilhaben“, schreibt er in einer Mail, die er an mehrere Politiker schickte, um ihnen ein Beispiel an die Hand zu geben. „Auch die Pflege ist hier eine Teilhabeleistung. Man kann sagen: Sie ist nicht in der Lage, wirtschaftlich verwertbare Arbeit zu leisten.
Ausgehend vom Gesetzentwurf könnte sie auch als nicht förderfähig bezeichnet werden“, so Bremer weiter. Tatsächlich sei aber ihre Art, Kontakt aufzunehmen, fröhlich zu sein, mitzumachen, teilzunehmen wichtig für die ganze Gruppe und insofern auch für die Arbeit in der Tagesstätte. „Und sie arbeitet auch mit – angeleitet.“ Das zukünftige Gesetz aber könnte der Grund dafür werden, dass sie ihren heute noch greifenden Anspruch auf Eingliederungshilfe im Bereich Tagesstruktur und Arbeit verliere und in Zukunft in einer solchen Tagesstätte nicht mehr sein könnte. Ebenso scheine das Gesetz die Möglichkeit zu eröffnen, zu sagen, bei ihr stehe die Pflegeleistung im Vordergrund, „mit der Folge, dass sie auf eine Pflegeeinrichtung verwiesen werden könnte“. Schon heute würden immer wieder junge Erwachsene, schwer und mehrfach behinderte Menschen und auch schwer chronisch psychisch erkrankte Menschen in Pflegeheimen untergebracht. „Das ist heute schon falsch.“
Bremer betont: „Ich berichte darüber nur deshalb so persönlich, weil deutlich werden soll, wie es vielen Menschen mit schweren Behinderungen und deren Angehörigen infolge eines solchen Gesetzes ergehen könnte.“