Pflegeforscher der Universität Bremen haben erstmals bundesweit die Situation in Pflegeeinrichtungen und -diensten während der Corona-Pandemie analysiert. Die Hälfte aller Covid-19-bedingten Todesfälle sei in Pflegeheimen gezählt worden, obwohl nur ein Prozent der Bevölkerung in einer solchen Wohnform lebt, teilte die Universität am Mittwoch mit. „Die Sterblichkeit unter Pflegebedürftigen ist somit mehr als fünfzig Mal so hoch wie im Rest der Bevölkerung”, sagte Professor Heinz Rothgang, der an der Studie mitwirkte.
Die Wissenschaftler hätten für ihre Untersuchung bundesweit 824 Pflegeheime, 701 Pflegedienste und 96 teilstationäre Einrichtungen befragt. Der Patientenschützer Eugen Brysch begrüßte die Studie und warf der Politik vor, die Pflege in der Pandemie nicht ausreichend zu beachten.
Laut der Leiterin der Studie, Professorin Karin Wolf-Ostermann, sind die pflegebedürftigen Menschen mit ihrem erhöhten Infektionsrisiko auch eine Gefahr für das Pflegepersonal. Bei vielen pflegerischen Handlungen sei ein vollständiger Schutz nicht möglich. Dennoch könne das Übertragungsrisiko eingedämmt werden, wenn schnelle Testergebnisse potenzielle Infektionsherde rasch aufdeckten und ausreichende Schutzmaterialien vorhanden seien. Das dies funktioniere zeige die Tatsache, dass es in mehr als der Hälfte der Einrichtungen mit infizierten Mitarbeitenden keine erkrankten Klienten oder Bewohner gebe.
Zwar habe sich die Versorgung mit Schutzmaterialien seit Beginn der Pandemie deutlich verbessert, dennoch klage immer noch jeder vierte Pflegedienst und jede sechste stationäre Einrichtung über Engpässe. Zudem seien Tests teilweise noch schwer zugänglich. „Die Übermittlung der Ergebnisse erfolgt erst nach drei bis vier Tagen – zu spät, um ihr Potenzial als Teil eines wirkungsvollen Schutzkonzeptes voll zu entfalten”, sagte Wolf-Ostermann. Erforderlich seien daher regelmäßige Reihentests, deren Ergebnisse schneller zur Verfügung stünden.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte gegenüber dem epd, dass die öffentliche Stellen zu den Problemen in den Heimen weitestgehend schwiegen. Zunächst hätten lediglich die Krankenhäuser im Fokus der Maßnahmen von Bund und Ländern gestanden. „Das war falsch.” Bislang seien 5.250 Pflegebedürftige im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. „Diese Zahl ist zutiefst erschütternd und macht deutlich, wo Corona am heftigsten wütet.” (epd)