BERLIN (hin). Ein Jahr, nachdem Copilot Andreas L. unter dem Einfluss einer schweren depressiven Episode ein Germanwings-Flugzeug absichtlich in ein französisches Bergmassiv gelenkt hat, was 150 Menschen das Leben kostete, sind immer noch viele Fragen offen. Insbesondere bleibt bis heute ungeklärt, wer die Verantwortung für die Katastrophe trägt – daran änderte auch der Abschlussbericht der französischen Untersuchungsbehörde nichts, der zum Jahrestag veröffentlicht wurde. Unklar bleibt derweil auch, wie Vergleichbares in Zukunft besser verhindert werden kann. Für eine bessere Kontrolle der Piloten müsste der Datenschutz gelockert werden.
Klar ist: Das deutsche Kontrollsystem ist voller Schwächen, die auch ein ZDF-Beitrag („Der Germanwings-Absturz: ZDFzoom über die Katastrophe und viele Fragen“ vom
23. März) herausarbeitete. Eine zentrale Frage, die ein Experte in dem Beitrag stellt: Warum wurde die Sondergenehmigung, mit der der Mann das Flugzeug wegen einer psychischen Vorerkrankung im Jahre 2009 lenkte, nicht mit einer Auflage für besondere psychiatrische/psychologische Begutachtung verknüpft? Moniert wird in dem Beitrag ferner, dass es keine zentrale Datenbank gibt: Das für die Fluglizenzvergabe zuständige Bundes-Luftfahrtamt erhält offenbar nur anonymisierte Befunde von Piloten. Das ist in anderen Ländern anders. Das ZDF-Team reiste nach Schweden. Dort liegt der Nationalen Flugsicherheitsbehörde demnach die gesamte Krankengeschichte inklusive Medikamenteneinnahme etc. transparent vor.
Andreas L. fiel aber bei seinem letzten Tauglichkeitscheck sieben Monate vor dem Absturz nicht auf. Seine episodisch verlaufende Krankheit führte erst ab Dezember zu mehr als 30 Arztbesuchen, insbesondere auch wegen Augenproblemen. Er war am Absturztag krankgeschrieben. Laut Abschlussbericht litt er an einer „psychotischen Depression“ und nahm „psychotrophische Medikamente“ ein. Die französischen Experten bemängeln unter anderem, dass es in den deutschen Vorschriften an klaren Richtlinien für Ärzte mangele, wann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit schwerer wiegt als die Gründe für die ärztliche Schweigepflicht – was eine Durchbrechung des Arztgeheimnisses rechtfertigt.
Die Berufsverbände warnen indes weiter einhellig vor einer Aufweichung der Schweigepflicht aus Sorge, dass Betroffene ihre Erkrankung dann vermehrt verheimlichen würden, was die Gefahren eher vergrößern könnte. Mehr zum Abschlussbericht und zur Schweigepflichtdiskussion: