BERLIN (hin). Sie setzt Nofretete-Büsten bunte Sonnenbrillen auf und verkleidet Schaufensterpuppen mit eigenen Kleidungsstücken – Isa Genzken zähle zu den bemerkenswertesten und radikalsten Künstlerinnen der Gegenwart, so das Berliner Museum Martin-Gropius-Bau, das Genzkens Schaffen aus vier Jahrzehnten noch bis 26. Juni präsentiert. Titel der Ausstellung von 150 Arbeiten: „Mach Dich hübsch!“
Genzken gilt als extrem publikumsscheu, gab aber jetzt dem Tagesspiegel einen spektakulär-freimütigen Einblick in ihr Privatleben. „Hab angefangen zu saufen und zu saufen, habe mich sehr unangemessen benommen – wegen dieses Unglücks mit meinem Mann“, sagt sie dort. Genzken war von 1982 bis 1993 mit ihrem früheren Professor, dem deutschen Starkünstler Gerhard Richter, verheiratet. Seit drei Jahren trinke sie nicht mehr. Bei ihr wurde eine bipolare Störung diagnostiziert, heißt es in dem Interview. Die vergangenen zehn Jahre habe sie teilweise in der Psychiatrie verbracht, sagt Genzken dort. Seit einem halben Jahr dürfe sie leben wie sie möchte, so die 69-Jährige, die offenbar bis heute Tabletten nehmen muss und einen Betreuer hat.
Als „schrill, knallbunt und trashig” beschreibt Julia Badaljan im Museumsjournal das Werk der Künstlerin, deren Leben und Karriere auch mindestens bunt ist. 1948 in Bad Oldesloe geboren, studierte Isa Genzken Kunstgeschichte und Malerei in Hamburg, Köln und Berlin und schloss ihr Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf ab. 2007 bespielte die mehrfache documenta-Teilnehmerin auf der Biennale in Venedig den Deutschen Pavillon. Im Jahr 2013 widmete ihr das Museum of Modern Art (MoMA), New York, eine erste umfassende Gesamtausstellung, die durch Amerika tourte. Und nun die erste umfassende Schau ihres Gesamtwerks in ihrer Heimatstadt Berlin, wo sie in Schöneberg lebt.
„Immer wieder erfindet sich die … Künstlerin wie kaum eine andere neu und arbeitet mit den unterschiedlichsten Materialien und Medien. Skulptur, Installation, Film, Video, Malerei, Arbeiten auf Papier und Fotografie“, beschreibt Julia Badaljan die Spektren des Genzken-Werks. Für ihre Lieblingsstadt New York sowie Berlin entwickelte sie fiktive Architektur-Modelle wie „Fuck the Bauhaus / New Buildings for New York“ (2000) oder „New Buildings for Berlin“ (2004). Das Künstlerbuch „Mach Dich hübsch!“ (ca. 2000) sei „das Pendant zum New Yorker Buch ,I Love New York, Crazy City’“ (1995/96) und auch eine Hommage an die Stadt Berlin. Darin: Poster, Magazinausschnitte, persönliche Fotografien der Künstlerin, Briefe, kunsthistorische Referenzen, die mit Paketklebeband und neonfarbenen Folien collagiert wurden, alles in allem „eine Art Tagebuch der Künstlerin“.
Wiederholt tauchen in Genzkens Werk auch Themen auf, die mit dem Körper, dem Aussehen und der Identität zusammenhängen bzw. sich mit dem Thema Schönheit beschäftigen. Porträts der besonderen Art sind zu sehen: Die Fotoserie „Ohren“ entstand auf den Straßen New Yorks, wo Genzken Passantinnen fragte, ob sie deren Ohren fotografieren dürfte. Aber auch Genzkens Ohren sind Teil der Serie. Und während eines Krankenhausaufenthalts 1989 machte sie Röntgenaufnahmen ihres Schädels, denn „es hat mich einfach interessiert, wie es innen in meinem Kopf aussieht“, so der Wandtext zu Genzkens so genannten X-Ray-Porträts.
Auch in ihrer Psychiatriezeit schuf sie Kunst. Wenn sie Ausgang hatte und in ihr Atelier durfte. „Das war gut für mich“, sagt sie: „In der Psychiatrie habe ich einmal probiert, an meiner Kunst zu arbeiten, die wurde dann weggeschmissen. Weil die dachten, das wäre kein Kunstwerk“, so die Künstlerin, deren Arbeiten heute schon mal 100.000 US-Dollar und mehr kosten. Die Psychiatrie erlaube ihr bis heute keine Geldkarte. „Ich darf nur mit Erlaubnis etwas direkt am Schalter abheben“. Bei größeren Summen müsse sie den Betreuer anrufen. Der begleite sie auch auf Reisen nach New York. Sie zahle ihm ein First-class-Ticket und ein Zimmer im Waldorf-Astoria.
Als sie die Büsten der Nofretete kaufen wollte, habe er sie erst nicht bezahlen wollen, „zu teuer, fand er.“ So Isa Genzken im Interview. (Quelle: www.tagesspiegel.de, „Zu Tokio Hotel tanze ich wie eine Teenager“)