Hoffnungsloser Fall?

Auf der Station, auf der in Rendsburg bislang der „qualifizierte Entzug“ stattfand, gingen vorübergehend die Lichter aus. Dem Krankenhaus fehlte das Personal, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Symbolfoto: unsplash

Im Mai schloss die Rendsburger Schön-Klinik die Station 81, auf der Suchtkranke behandelt werden. Mehrere Suchthilfeverbände warnten vor einer Verschlechterung der Lage. Nun erhebt ein Betroffener schwere Vorwürfe. Die Landesstelle für Suchtgefahren sieht über den Einzelfall hinaus strukturelle Probleme. Suchtkranke würden immer noch stigmatisiert, die Wartezeiten für Entzug seien deutlich zu lang.

„Schlimmer als ein Hund“ sei er in der Rendsburger Klinik behandelt worden, sagt Sven S.. Der Rendsburger ist suchtkrank, hat viele Jahre Alkohol und illegale Drogen konsumiert. Doch zuletzt sei er länger abstinent gewesen, berichtet er. Nach dem Tod eines Freundes erlitt er einen Rückfall.
Für einen Entzug wandte er sich an die Rendsburger Klinik, die zur privaten Schön-Gruppe gehört. Doch er konnte immer nur einen oder zwei Tage bleiben, wie Belege zeigen, die dem EPPENDORFER vorliegen. „Sie haben mich einfach vor die Tür gekippt“, sagt er. Draußen habe er dann sofort wieder konsumiert. „Ich habe in der Klinik um Hilfe gebettelt, aber sie nannten mich einen hoffnungslosen Fall. Aber hätten sie mich einmal vernünftig behandelt, wäre ich längst wieder geheilt.“ Eine langjährige Vertraute von S. bestätigt seinen Bericht.


Die Schön-Gruppe will sich zu dem Fall nicht äußern, aus Gründen des Datenschutzes, so ein Sprecher. Die Schön-Gruppe hatte das insolvente Kreiskrankenhaus 2023 übernommen. Danach hatten mehrere Ärztinnen und Ärzte der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, darunter Chefarzt Moritz Wigand, gekündigt. Inzwischen seien „hochrangig qualifizierte Nachfolger“ gefunden, teilt der Sprecher mit. So wird Professor Dr. Bernhard Croissant ab Dezember die Leitung der Klinik übernehmen. Er war zuletzt Chefarzt und Mitglied der Klinikleitung der Dr. Becker Klinik Möhnesee und zuvor als ärztlicher Direktor und Chefarzt im AMEOS Klinikum Osnabrück tätig. Kommissarischer Leiter und später Oberarzt wird Tim Bugdahn, der bereits von 2022 bis Anfang 2025 in Rendsburg tätig war. „Unser Ziel ist es, die psychiatrische Versorgung auf höchstem Niveau zu gewährleisten und weiterzuentwickeln“, sagt Croissant.

Ministerium spricht von „gutem Versorgungsangebot”


Von einem „guten Versorgungsangebot“ für Suchtkranke in Schleswig-Holstein spricht auch das Kieler Gesundheitsministerium. Eine aktuelle Versorgungsbedarfsanalyse zeige, dass „eine Vielzahl an Angeboten für die Behandlungen bei problematischem Konsumverhalten bestehen“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Weiße Flecken auf der Landkarte des Flächenlandes gebe es nicht, stattdessen würden „Suchtpatientinnen und -patienten in allen Kreisen Versorgungsangebote in Anspruch nehmen“. Dabei gehe es um „qualifizierten Entzug, Reduktion, Anpassung oder Neueinstellung von Medikamenten und Substitutionsmitteln“ sowie die Behandlung psychischer Erkrankungen sowie die Berücksichtigung psychosozialer Problembereiche.

„Entzugsplätze fehlen, nicht nur im Land, sondern bundesweit.“


Björn Malchow von der Landesstelle für Suchtgefahren schätzt die Lage deutlich schlechter ein. „Entzugsplätze fehlen, nicht nur im Land, sondern bundesweit.“ Kliniken oder Stationen seien geschlossen worden, Betten, die eigentlich für Suchtkranke zur Verfügung stehen sollten, würden teils von anderen Kranken belegt. „Wir haben Wartezeiten von mehreren Wochen, es braucht viel Telefoniererei, um einen Platz zu bekommen“, sagt Malchow. Für die Betroffenen, die dringend auf Entzug warten, sei das eine Katastrophe – und es zeige, dass Suchtkranke immer noch anders behandelt würden als anders chronisch Kranke: „Einen Diabetiker würde man nicht wochenlang auf eine neue Einstellung der Medikamente warten lassen.“


Meist betrifft Sucht nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Angehörige, erinnert Rüdiger Hannig vom Verband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Er wünscht sich ein besseres Entlassmanagement und mehr Hilfen in der schwierigen Phase nach der körperlichen Entgiftung.
„Viele Suchtkranke haben Doppeldiagnosen, etwa Depression oder Ängste, und diese Probleme kommen zurück. Da gibt es keine richtige Unterstützung, also bleibt die Hilfe an den Angehörigen hängen.“ Wenn künftig weitere Betten abgebaut werden – so plant es das Gesundheitsministerium – werde sich das Problem verschärfen, befürchtet Hannig. Eine Lösung wären Notfallbetten, um schnell Hilfe anbieten zu können. „Es gilt, das Fenster der Möglichkeiten zu nutzen, wenn die Menschen bereit für den Entzug sind“, sagt Hannig.
Esther Geißlinger (Originalveröffentlichung im EPPEDORFER 5/25)