Warum geht es nicht überall so? Diese Frage stellen sich viele Menschen mit psychischen Problemen und ihre Angehörigen, wenn sie vom bundesweit in dieser Art einzigartigen Krisendienst in Bayern hören. Die Zahl der Anrufe ist im Jahr 2024 erneut gestiegen, wie der Bayerische Bezirkstag mitteilte.
Über 100.000 Hilfesuchende in psychischer Not
Die Krisendienste Bayern standen im Jahr 2025 mehr als 100.000 Menschen in seelischer Not zur Seite. Neben 97.816 telefonischen Kontakten führten die mobilen Einsatzteams 3.834 persönliche Kriseninterventionen durch. Die Teams treffen sich dabei mit hilfesuchenden Personen entweder direkt bei diesen zu Hause oder an einem geeigneten neutralen Ort.
Deutlicher Anstieg der Nachfrage nach Krisenhilfe
Die Zahl der Hilfeanrufe steigt seit Jahren kontinuierlich. Im Jahr 2023 wurden rund 88.100 Telefonate und 3.800 persönliche Einsätze gezählt, 2022 waren es etwa 82.500 Anrufe und knapp 3.000 Interventionen vor Ort. Laut Jahresstatistik waren 75 Prozent der Anrufenden die Betroffenen selbst, 9 Prozent kamen aus dem familiären Umfeld und 4 Prozent aus dem privaten oder beruflichen Umfeld. In 2.050 Fällen berieten die Krisendienste telefonisch Polizei oder Kreisverwaltungsbehörden im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Ziel dieser Beratungen ist es, eine geeignete Versorgung zu finden und Zwangseinweisungen zu vermeiden.
Gründe für Anrufe: Depression, Angst, Suizidgedanken
Die häufigsten Gründe für einen Anruf bei den Krisendiensten waren depressive Zustände, Probleme im privaten Umfeld, Sorge um Angehörige oder andere Personen, Angstzustände sowie akute psychische Belastungsreaktionen. In 8 Prozent der Gespräche spielte laut Angaben Suizidalität eine Rolle – ein alarmierender Hinweis auf die zentrale Bedeutung der Krisendienste für die Suizidprävention in Bayern.
Wenn Zuhören Zuversicht schafft
Martin Guth, Sprecher der sieben Leitstellen der Krisendienste Bayern, beschreibt die Bedeutung des Angebots für Menschen in psychischer Krise:
„Psychische Krisen sind Tiefpunkte im Leben. Oft fühlt man sich darin allein, überfordert, verloren. Wenn in dieser Situation jemand da ist, der zuhört, ohne zu bewerten, und hilft, die eigenen Gedanken zu sortieren, dann kann das verschüttete Kräfte aktivieren und Zuversicht schenken. Es ist oft der Moment, in dem die Betroffenen das Licht am Ende des Tunnels sehen und merken: Ja, da ist noch ein Stück zu gehen – aber jetzt kenne ich den Weg und ich weiß, dass ich es schaffen kann.“
Psychologische Notfallhilfe für alle – anonym und kostenlos
Die Krisendienste Bayern sind täglich, rund um die Uhr und kostenlos unter 0800 / 655 3000 erreichbar. Menschen in akuten psychischen Krisen werden von qualifizierten Fachkräften der Bereiche Psychologie, Sozialpädagogik und psychiatrische Pflege beraten. Auch Angehörige, Fachstellen sowie Polizei und Kreisverwaltungsbehörden können sich an die Krisendienste wenden.
Mobile Krisenintervention: Hilfe am Ort des Geschehens
Ein besonderes Merkmal der bayerischen Krisendienste ist der Einsatz mobiler Teams, die bei Bedarf direkt an den Ort der Krise kommen. Sollte nach dem Gespräch oder der persönlichen Intervention weiterer Unterstützungsbedarf bestehen, vermitteln die Krisendienste an passende Angebote im psychiatrischen Versorgungssystem.
Finanzierung durch Freistaat und Bezirke
Getragen werden die Krisendienste von den sieben Bezirken in Bayern sowie vom Freistaat Bayern. Die finanziellen Aufwendungen sind nicht unerheblich: Der Bezirk Oberbayern etwa gibt an, jährlich rund 11,3 Millionen Euro für die aufsuchenden Hilfen des Krisendienstes Psychiatrie Oberbayern aufzuwenden. Die Kosten für die Leitstelle in Oberbayern belaufen sich auf rund 3,3 Millionen Euro und werden vom Freistaat Bayern übernommen. (rd/hin)