„Hausnummer Null”

Christ ist heroinabhängig und lebt zu Beginn des Films auf der Straße. Foto: Drop-Out Cinema eG

Chris ist heroinsüchtig und lebt gemeinsam mit seinem Kumpel Alex an der Berliner S-Bahn-Station Friedenau auf der Straße. Er ist einer dieser „Schnorrer“, die einem in der S-Bahn begegnen. Chris ist „echt“ – über einen Zeitraum von insgesamt 2,5 Jahren hat er sich immer mal wieder von Lilith Kugler mit der Kamera begleiten lassen. Der Zuschauer erlebt das geballte Elend, den Verfall – aber auch die Erholung – hautnah mit.


Der Film entstand einfach so, durch Offenheit: Als die Regisseurin Kugler in die Stadt zieht, ist Chris einer der ersten Menschen, mit dem sie Kontakt hat. Mit der Zeit reden sie immer wieder miteinander und sie beschließt, sein Leben filmisch festzuhalten. Chris sieht schlimm aus. Seit Jahren schon lebt der Junkie auf der Straße. Er hat Hepatitis, ist viel zu dünn, hat kaum Zähne, die Hände starren vor Dreck, er schleppt sich dahin, kann kaum laufen. Er ist nett, spricht ausdrucksstark und klug. Was und wo wäre er ohne seine Probleme?, fragt ihn die Filmemacherin einmal. Er wäre in der Forschung, als Laborleiter, malt er sich aus.

Nachbarn sorgen und kümmern sich, bringen Tee …


Doch jetzt steht erstmal der Winter vor der Tür. Es schneit. Was tröstet: Nachbarn kommen, sorgen sich, bringen Tee, gebratenen Leberkäse sogar. Ein Nachbar kümmert sich besonders intensiv, auch um eine Unterkunft. Hoffnung keimt auf, als Chris mit Substitution beginnt. Leere macht sich breit. „Die Sucht hat mich gezwungen aktiv zu sein, das fehlt mir“, sagt er dem Suchthelfer. An Weihnachten besucht er die Mutter, die von der schwierigen Kinder- und Jugendzeit mit Psychiatrieaufenthalt und Suizidversuch erzählt. Später kehrt Chris zurück auf die Straße und zu den Drogen. Es geht ihm schlechter und schlechter, aber er will keine Langzeittherapie, weil er das mit einsperren verbindet. Sein Glück: Er landet irgendwie im Diamorphin-Programm. Und so kann es losgehen: Friseur, Zahnarzt, Fitnessstudio. Wohnung. Er kocht jetzt. Nimmt zu. Sieht wieder „normal“ aus. Und weiß doch: Noch ist es nicht vorbei. Es ist ein ständiger Kampf. Und, und das macht dieser Film mehr als deutlich, eine richtig schwere Krankheit.
Das Dokumentarfilm-Debüt von Lilith Kugler wurde mehrfach ausgezeichnet und ist in der ZDF Mediathek abrufbar. Anke Hinrichs