Gesetzlich vorgeschriebene Kontrollkommissionen – auch Besuchs- oder Aufsichtskommission genannt – kommen oft angemeldet und haben keine Sanktionsmöglichkeiten. Das berichtet „Report Mainz” am morgigen Dienstag, 1.Oktober, ab 22 Uhr im Ersten.
Sehr viele Kontrollkommissionen von psychiatrischen Einrichtungen, die sogenannten Besuchskommissionen, würden nicht nach den Vorgaben der Psychiatrie-Gesetze arbeiten, hätten gemeinsame Recherchen des ARD-Politikmagazins „Report Mainz” (SWR) und des HR-Magazins „defacto” ergeben. Die Redaktionen hatten bundesweit alle Kommissionen angeschrieben. Die Auswertung der Antworten ergab, dass die meisten Besuchskommissionen ihre Kontrollen in den Kliniken vorab ankündigen: 47 Kommissionen handeln so. Nur sieben Kommissionen hätten angegeben, grundsätzlich unangekündigt zu kontrollieren. Dabei schreiben die meisten Psychiatrie-Gesetze der Länder vor, dass Besuchskommissionen in der Regel unangemeldet in der Klinik erscheinen sollen, um so vor allem die Rechte zwangsweise untergebrachter Patienten zu sichern.
Die gesundheitspolitischen Sprecherinnen von FDP und Grünen im Bundestag kritisieren, wie die meisten Kontrollgremien ihr Amt ausüben. Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, sagt: „Das ist ein Placeboinstrument, was so keine Wirkung entfaltet für die Patienten.” Und die „Grünen”-Politikerin Maria Klein-Schmeink fordert: „Wenn die Kommissionen am Ende kaum die Möglichkeit haben, ihrem Auftrag gerecht zu werden, ist das natürlich strukturell ein Mangel und da müssen wir ran.” Eine Kontrolle von außen in die geschlossenen Stationen sei dringend notwendig. Denn immer wieder werden gravierende Missstände in Psychiatrien öffentlich: Zuletzt in der Akutpsychiatrie der Frankfurter Uniklinik. Dort wurden Berichte über traumatisierenden Freiheitsentzug, baufällige Stationen und dramatischen Pflegekräftemangel öffentlich.
Psychiatrie-Chefärzte würden im Interview berichten, dass es katastrophale Zustände an vielen psychiatrischen Kliniken in Deutschland gebe. Auch Patientenvertreter erklärten, aktuell könnten die staatlich installierten Besuchskommissionen ihren Auftrag, Patienten in psychiatrischen Einrichtungen wirkungsvoll zu schützen, nicht erfüllen.
Viele Psychiatrie-Erfahrene bemängeln, die Berichte seien zu wenig kritisch. Sanktionsmöglichkeiten haben die Besuchskommissionen aufgrund der Psychiatriegesetze der meisten Bundesländer ohnehin nicht. Wenn sie Druck aufbauen wollen, dann können sie das nur über ihre Jahresberichte an die zuständigen Parlamente der Länder oder Kreise. Doch häufig erreichen die Berichte die Politik erst Jahre später. Besonders lange liegt der letzte Bericht an den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zurück: Dort wurde zuletzt im Jahr 2013 über die Kontrollen der Besuchskommissionen in den Jahren 2010 und 2011 berichtet.
Hintergrund: 800.000 Menschen werden jährlich in einer psychiatrischen Einrichtung behandelt. Rund 400 Fachkliniken bzw. Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern behandeln in Deutschland erwachsene Patienten, die zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen werden. Gesetzliche Grundlage für den Patientenschutz sind die Psychiatrie-Gesetze der Bundesländer. (ots/Pressemeldung SWR)