Jazz und Heroin – in den 50er Jahren eine zerstörerische Kombi, die viele begnadete Musiker kaputt machte. Eine Ikone des Jazz, der Trompeter Chet Baker, lebte mit Sucht und Jazz ein bewegtes und von vielen Reisen, mehreren Ehen, aber auch Gefängnisaufenthalten durchzogenes, kurzes Leben. Der Spielfilm „Born To Be Blue“, der reales und fiktives vermixt, nähert sich dem „James Dean des Jazz“ ohne Wertung an. In der Hauptrolle glänzt Ethan Hawke – als Chet Baker und am Gesangsmikro.
Dexter Gordon und Gerry Mulligan, John Coltrane und Miles Davis, Bill Evans, Stan Getz nicht zu vergessen – viele große Jazz-Musiker konsumierten Heroin. Und starben früh: Billie Holiday wurde nur 44. Die Leiche von Charlie Parker soll in der Pathologie auf „zwischen 50 und 60 Jahren“ geschätzt worden sein. Tatsächlich war er nur 34 Jahre alt geworden. Trotzdem wurde der Alkohol, Heroin und Aufputschmittel konsumierende Altsaxophonist einer der wichtigsten und prägendsten Musiker des Jazz überhaupt.
In Parkers Band begann auch die Karriere des 1929 in Oklahoma geborenen jungen Chet Baker, der auch als „James Dean des Jazz“ und „Prince of Cool“ tituliert wurde. Auch der Trompeter wurde ein ganz Großer und lebte ein bewegtes Leben, um nicht ganz so früh, aber auch schon mit 58 zu sterben als jemand, dem die Sucht mehr als deutlich nicht nur ins Gesicht geschrieben stand (leibhaftig ersichtlich in der Oscar nominierten Dokumentation „Let’s get Lost“, in der Baker und Weggefährten von seinem Leben erzählen). Wie er am Freitag, den 13., im Jahr 1988 starb, blieb unklar. Sprang er? Wurde er gestoßen? Fiel er im Rausch in die Ewigkeit? Ein Passant fand ihn in Amsterdam auf dem Bürgersteig vor einem Hotel in seinem Blut liegend. Chet Baker hatte ein Zimmer im zweiten Stock bewohnt und war offenbar aus dem Fenster auf die Straße gestürzt.
Der Film „Born To Be Blue“ von Regisseur und Drehbuchautor Robert Budreau behandelt nur eine kleinere Zeitspanne und setzt Baker und seiner Musik ein Denkmal, das von Hollywood-Star Ethan Hawke dominiert wird, der in New York Gesangsunterricht nahm, um die Klassiker „My Funny Valentine“ und „I’ve Never Been In Love Before“ für den Soundtrack selbst einzusingen. Auch die übrige Musik wurde neu eingespielt.
Der Film ist ein Mix aus Fiktion und „Biopic“, der von wahren Schlüsselerlebnissen im Leben des Musikers ausgeht, heißt es im Presseheft. Als Sohn eines Profi-Gitarristen, der sich während der Großen Depression der Farmarbeit zuwenden musste, fing Baker schon als Kind an, Trompete zu spielen. Nach Jahren beim Militär geriet er früh an die Drogen, wegen derer er mehrfach, auch in Deutschland und Italien, ins Gefängnis musste. Im Spielfilm „Born To Be Blue“ erhält Baker Mitte der 1960er die Chance auf ein Comeback: Er soll sich selbst in der Verfilmung seines Lebens spielen. Am Set verliebt er sich in die hübsche Jane (Carmen Ejogo). Das erste Rendezvous endet in der Katastrophe: Baker trifft auf seinen früheren Dealer und dessen Handlanger, die ihn krankenhausreif schlagen.
Dass Baker Zahnprobleme hatte, die ihn auch im echten Leben längere Zeit aus der Bahn warfen, ist klar, warum genau ist nicht eindeutig. Zumal sich viele Mythen um den Musiker ranken, teils von ihm selbst verbreitet. Im Film und im Leben erhält er jedenfalls eine Zahnprothese. Damit scheint anfangs ausgeschlossen, dass er je wieder so gut Trompete spielen kann wie früher. Dafür entspinnt sich im Film eine große Liebesgeschichte zwischen Jane und ihm, was ihm neue Kraft und Hoffnung und dem Film Substanz jenseits von Drogen gibt. Denn „die Person jenseits des Junkies zu zeigen“ lag insbesondere Ethan Hawke am Herzen. Mühsam beginnt Chet damit, seinen Kiefer wieder an das Instrument zu gewöhnen und sich an ein Comeback heranzuarbeiten. Und das mit Erfolg. Doch auch die Drogen siegen wieder mal …
Warum die große Nähe damaliger Jazzmusiker zum Heroin? In der Musik selbst lag der Grund wohl nicht, urteilte vor langer Zeit der Jazzpabst Joachim-Ernst Berendt in einem Essay: „Kein Jazzmusiker spielt besser, wenn er die Heroinspritze gebraucht hat. Aber viele glauben, besser zu spielen“. Berendt zitierte Charlie Parker: „Jeder Musiker, der sagt, er spiele besser, wenn er Marijuana genossen oder eine Spritze genommen habe, ist rundheraus ein Lügner… In der Zeit, als ich rauschgiftsüchtig war, mag ich gedacht haben, ich spiele besser, aber wenn ich heute die alten Schallplatten anhöre, weiß ich, dass ich in Wirklichkeit nicht besser gespielt habe“.
Anke Hinrichs
„Born To Be Blue“, Kinostart: 8. Juni