Angesichts der Attentate von Bottrop und Essen in der Silvesternacht thematisierten viele Medien die psychische Krankheit des Attentäters. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) warnt in einer aktuellen Pressemitteilung vor einer vorschnellen Verknüpfung von Terrorismus und psychischer Krankheit und spricht sich für eine differenzierte Berichterstattung aus.
„Bei schizophren Erkrankten besteht durchaus ein erhöhtes Deliktrisiko“, sagt Psychologe Dr. Norbert Schalast im Gespräch mit der DGSP, „aber auch Psychosekranke begehen insgesamt selten schwere Gewalttaten.“ Schalast arbeitet am Institut für forensische Psychiatrie am LVR-Klinikum der Universität Duisburg-Essen und war dort an der Begutachtung einer Reihe von Tätern mit terroristischem Hintergrund beteiligt. „In eigenen Gutachten habe ich zumeist Hinweise auf auffällige Persönlichkeitszüge, auch dissoziale Tendenzen und erhebliche psychosoziale Belastungsfaktoren in der Vorgeschichte gefunden, jedoch nie ernsthafte Anhaltspunkte für eine schwere psychische Erkrankung wie die Schizophrenie.“
Die aktuelle Berichterstattung bewertet DGSP-Vorstandsmitglied Stefan Corda-Zitzen als problematisch, weil sie zum Teil zu einer Kriminalisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beitrage: „Natürlich gibt es psychisch erkrankte Menschen mit erhöhter Gewaltbereitschaft, und es gibt Gewaltverbrechen, die von Menschen mit psychischen Erkrankungen verübt werden. Dennoch ist es nicht gerechtfertigt, angesichts dieser Erkenntnisse in Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen grundsätzlich potenzielle Terroristen zu sehen und so die Stigmatisierung psychisch Erkrankter zu verstärken.“ Auch im Hinblick auf das im Bundesteilhabegesetz (BTHG) formulierte Ziel „mehr gesellschaftliche Teilhabe für behinderte Menschen“ sei eine differenzierte Berichterstattung unbedingt vonnöten, um die sich einige Medien offenbar auch durchaus bemühten.
Schalast sieht sich durch den Vorfall von Bottrop nicht veranlasst, über eine terroristische Bedrohung durch schizophrene oder andere psychisch erkrankte Täter grundsätzlich neu nachzudenken: „Es handelt sich hierbei – übrigens genauso wie bei den Übergriffen alkoholisierter Asylbewerber in Bamberg am 29. Dezember 2018 – um recht ungewöhnliche Tatszenarien, die allerdings verschiedenen Interessengruppen einen willkommenen Anlass boten, sich zu positionieren.“
Lesen Sie zum Thema „Terror und Psyche” auch ein Archiv-Interview mit der Forensikexpertin Dr. Nahlah Saimeh: http://eppendorfer.de/auch-die-psychiatrie-muss-handeln/