Der „Märchenkönig“ Ludwig II. und sein bis heute nicht geklärter Tod im Starnberger See sind bekannt. Weniger bekannt dagegen ist sein Bruder Otto I. Offiziell herrschte dieser von 1886 bis 1913 – allerdings regierte er nie, denn Ludwigs kleiner Bruder war schwer psychisch krank. Onkel Luitpold führte die Regierungsgeschäfte als Prinzregent. Doch nun blicken alle Augen auf Otto: Anlässlich seines 100. Todestages am 11. Oktober hat ihn das Kloster Benediktbeuern mit einer Ausstellung gewürdigt, die noch bis zum 12. Juli zu sehen ist. Ihr Titel: „Bayerns unglücklichster König“. So heißt auch eine Biographie des Königs, die der Ausstellungs-Mitkurator Alfons Schweiggert verfasst hat.
Laut einem Bericht auf www.merkur.de hat Otto bereits als Kind unter nervösem Waschzwang gelitten, außerdem hat „der Bub“ seinen eigenen Kot in einem Gefäß gesammelt. Manchmal habe sich Otto auch in einer Ecke im Schloß auf ein Bein gestellt und gebellt wie ein Hund. Der Militärdienst, führt Schweiggert demnach weiter aus, habe dem sensiblen und auch überängstlichen Wittelsbacher den seelischen Rest gegeben. Der Anblick der Toten, der Verwundeten, der Knall der Kanonen, der Lärm der Geschütze im deutsch-französischen Krieg 1870/71 habe den jungen Aristokraten wohl vollends in den Wahnsinn getrieben, analysiert Schweiggert laut merkur.de.
Heute sei die am weitesten verbreitete Ansicht, dass Otto an einer „paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis“ litt, so die sueddeutsche.de. Diese Auffassung vertritt unter anderem Professor Hans Förstl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München. Darauf deuten nach Ansicht der Ärzte die Entwicklung seiner Symptome hin wie auch die Tatsache, dass Otto offenbar schon als Kind Stimmen hörte, zwanghaftes Verhalten zeigte und an einer Angststörung litt – ähnliche Symptome zeigte auch Bruder Ludwig, der 1886 kurz vor seinem Tod für unheilbar seelengestört erklärt und von der Regierung entmündigt und abgesetzt wurde. Förstl vertritt die Ansicht, Otto sei „zutiefst traumatisiert“ gewesen. Bei Ludwig II. hatte Förstl 2010 eine „schizotype Persönlichkeitsstörung“ gesehen und außerdem eine frontotemporale Demenz vermutet.
Dass Otto Syphilis gehabt haben könnte, erscheint wegen des frühen Auftretens von Symptomen als unwahrscheinlich. An Therapieversuchen genannt werden bei Schweiggert u.a.: Er wurde eiskalt geduscht und in Salzsole gebadet, mit elektrischem Strom behandelt, erhielt kräftige Abreibungen am Körper und starke Beruhigungsmittel wie Morphium. Später wurde Otto auf das für ihn renovierte Schloss Fürstenried gebracht, wo er unter ständiger Aufsicht lebte. Sein Arzt war der Psychiater Bernhard von Gudden, eigentlich der Arzt des Bruders, Assistenten bei Otto im Dienst waren unter anderem Franz Nissl und Emil Kraepelin. Die „Prinzenärzte“ prägten die moderne Hirnforschung und Psychiatrie. München sei dadurch in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu einem „Mekka der Nervenheilkunde“ geworden, sagte Professor Förstl bei der Ausstellungseröffnung.
Ottos Cousine Prinzessin Therese, Luitpolds Tochter, liebte Otto innig seit Kindertagen, er erwiderte ihre Gefühle aber nicht. Von ihr sind persönliche Aufzeichnungen erhalten, in denen sie Otto als sensible Persönlichkeit ebenso zeigte wie die bedrohliche Entwicklung seiner Krankheit. Therese war ihm immer eng verbunden. Sie blieb unverheiratet und wurde als Wissenschaftlerin und Forschungsreisende bekannt. Otto starb mit 68 Jahren an einer Darmverschlingung. (hin)
Alfons Schweiggert: „Bayerns unglücklichster König, Otto I., der Bruder Lud-
wigs II.“, Verlag Sankt Michaelsbund, 2015, 288 Seiten, ISBN/EAN: 978-3-943135664, 19,90 Euro.