BERLIN (hin). Psychotherapeutische Sprechstunde, Akutbehandlung und Rezidivprophylaxe – das sind die Kernelemente einer Psychotherapiereform, die jetzt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen hat. Damit setzt er eine Vorgabe des Versorgungsstärkungsgesetzes um. Stimmt der Gesundheitsminister zu, können die Änderungen im April 2017 in Kraft treten. Die Fachverbände äußerten sich nur eingeschränkt zufrieden. Begrüßt wurden die neuen Akuthilfsmöglichkeiten, kritisiert wurden aber u.a. die neu eingeführte Dokumentation ambulanter Behandlungen sowie die Regelungen zur Rezidivprophylaxe.
Statt monatelanger Wartezeiten im Akutfall erstmal in die Sprechstunde. Dort stehen für Diagnostik bis zu 150 Minuten zur Verfügung. Um Chronifizierungen vorzubeugen, kann dann für Patienten, die schnelle Hilfe brauchen – z.B. weil sie sonst in ein Krankenhaus müssten oder nicht mehr arbeiten könnten – „zeitnah“ eine Akutbehandlung anfangen. Diese muss der Kasse angezeigt werden und kann bis zu 600 Minuten dauern. Therapeuten können Zeiten für Sprechstunden vorhalten – mindestens zwei Stunden sollen es sein – müssen es aber nicht.
Alternativ kann auch wie bisher der klassische Weg gegangen werden: Probatorische Gespräche und Langzeittherapie, die von einem Gutachter genehmigt werden muss. Hier bleibt es bei 160 bis zu maximal 300 Stunden analytische Psychotherapie, 60 bis maximal 100 Stunden tiefenpsychologische Therapie und maximal 80 Stunden Verhaltenstherapie.
Danach kann als weitere Neuerung noch eine so genannte Rezidivprophylaxe anschließen, für die über einen Zeitraum von zwei Jahren acht bis 16 der Therapiestunden für Rückfallvorbeugung genutzt werden können. Psychotherapeutenverbände sprechen in einer Stellungnahme allerdings von einer „Mogelpackung“: „Es wird lediglich die Möglichkeit eingeräumt, das letzte Therapiekontingent einer Langzeittherapie auf bis zu zwei Jahre zu strecken. Das war schon bisher möglich.“ Die Verbände forderten den Minister auf, den
G-BA zu einer Nachbesserung aufzufordern.
Für chronisch und schwer kranke Patienten wäre „ein flexibles Behandlungsangebot nach Abschluss einer Psychotherapie sinnvoll“ gewesen, meint auch der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer BPtK, Dietrich Munz. Die Kammer stößt sich auch an den Fragebögen, die künftig von Patient und Therapeut zu Beginn und zum Ende einer Behandlung ausgefüllt werden müssen. Sie seien „weder patienten- noch nutzenorientiert, noch evidenzbasiert“. Fragen und Antwortmöglichkeiten seien zudem in einer „zum Teil verletzenden und stigmatisierenden Sprache“ verfasst. So würden etwa „abnorme Erziehungsbedingungen“ oder „abnorme intrafamiliäre Beziehungen“ abgefragt.
Die Verbände kritisierten ferner die ungenügende Verbesserung für den Bereich der Gruppentherapien. Die sieht auch die DGPPN. „Geht in die richtige Richtung, ist aber nicht umfassend genug“, lautet ihr Gesamtkommentar. Die Fachgesellschaft fordert eine „grundlegende Neustrukturierung der gesamten ambulanten Versorgung“, damit auch Menschen mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen profitieren könnten. Nur bei „einem kleinen Anteil der Patienten mit psychischen Erkrankungen erfolge eine Richtlinienpsychotherapie. Bei allen anderen Betroffenen seien z. B. medikamentöse oder psychosoziale Interventionen oder kurzzeitige psychotherapeutische Gespräche angezeigt, so DGPPN-Vorstandsmitglied Dr. Christa Roth-Sackenheim.