HAMBURG (hin). Konsumenten in Treppenhäusern und Hauseingängen, die Spritzen aufziehen und Crackpfeifen stopfen, Drogenverstecke und -handel in der Nähe von spielenden Kindern, verstärkte Razzien und Polizeipräsenz, Menschen mit dunkler Hautfarbe, die unter Dealer-Generalverdacht stehen. Dies sind auffällige Folgen des Drogenproblems, wie sie Anwohner schildern. Was für Diskussionen und auch für einen Streit im Hilfebereich sorgte. Dabei geht es auch um die Frage, was war zuerst da: die Konsumenten oder die Dealer?
In St. Pauli landen nicht nur immer mehr Touristen und Partygänger an, auch der Drogenkonsum und -verkauf ist offenbar deutlich gestiegen. Die Anwohner-Initiative AG Drogen „Fix-IT“ forderte daher einen zusätzlichen Konsumraum mit massiv verlängerten Öffnungszeiten und Spritzenautomaten. Der Umzug der Drogenberatungsstelle mit Konsumraum „Stay Alive“ von der Davidstraße nach Altona 2012 habe „eine große Lücke gerissen“, sagte AG-Mitglied Jonny Schanz gegenüber dem ZEIT-Newsletter „Elbvertiefung“. Daraufhin verschickte die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen (HLS) eine Pressemitteilung, in der sich die HLS hinter den Träger des „Stay Alive“, den Verein Jugendhilfe e.V., stellte. Tenor: „Ein neuer Konsumraum auf St. Pauli wäre nicht die Lösung der Probleme.“ Das wiederum rief die Beschäftigten von freiraum e.V. und Palette e.V. und ihren Sprecher Fritz Hofmann auf den Plan: Sie warfen der Landesstelle nun übereilte „einseitige Positionierung auf Hinwirken eines einzelnen Drogenhilfeträgers“ vor und forderten statt dessen eine „differenzierte und konstruktive Diskussion“ mit allen Beteiligten.
Die „massive Präsenz von Dealern auf St. Pauli und die hohe Verfügbarkeit von Drogen – speziell Kokain – führt dazu, dass Drogenkonsumenten vermehrt zum Kaufen dorthin kommen“, so Christine Tügel, Vorstand von Jugendhilfe e. V.. Diese vereinfachte Darstellung trage zur Stigmatisierung bei, kritisierte Hofmann, und verwechsele Ursache und Wirkung. Die Dealer seien nur da, da es ein offensichtlich vorhandenes Konsumbedürfnis auf Hamburgs Partymeile gibt.
Tügel sagt ferner, dass Jugendhilfe die Anwohnerbeschreibungen nicht bestätigen könne. Die Mehrheit der Drogenabhängigen auf St. Pauli würde die vorhandenen Drogenkonsumräume nutzen. Einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Situation und dem 2012 erfolgten Umzug des „Stay Alive“ bestreitet sie. Im Gegenteil: Am neuen Standort würden sogar mehr Drogensüchtige erreicht als einst in der Davidstraße. Die Nutzung der Drogenkonsumräume sei im Jahr 2015 gegenüber 2012 an der Davidstraße um 60,63 Prozent gestiegen. Seit kurzem sei zudem eine Verlagerung des offenen Drogenkonsums gen Nobistor-Park feststellbar, der nur 200 Meter vom „Stay Alive“ entfernt liegt. Christine Tügel und die stellvertretende HLS-Vorsitzende Cornelia Mertens schlagen abschließend eine bislang nicht finanzierte Ausweitung der Öffnungszeiten vor.
An Wochenenden und nach 19 Uhr hat das „Stay Alive“ geschlossen. Die freiraum/Palette-Beschäftigten fordern indes „Angebote, die geeignet sind, auch nicht ausstiegswillige UserInnen in das Angebot zu integrieren“ und einen Hamburger Diskurs zur Überprüfung der drogenpolitischen Konzepte