Alkohol-, Tabak- und Medikamentenabhängigkeit gelten als die schwerwiegendsten Suchterkrankungen. Und die Pandemie tat ihr übrigens: So hat der Alkoholkonsum während dem ersten Lockdown zugenommen, wie Befragungen zeigen. Dabei ist exzessiver Alkoholkonsum nicht nur ein Problem für sich – es kann laut WHO bis zu 200 verschiedene somatische Erkrankungen auslösen. Wie der Abhängigkeit von Alkohol und Nikotin entgegengewirkt werden kann und sollte haben Experten auf Basis aktueller Studien und Daten in einer frisch aktualisierten Leitlinien zusammengetragen, die heute im Rahmen einer DGPPN-Pressekonferenz vorgestellt wurden. Präsentiert wurde auch eine erstmals erarbeitete Leitlinie „Medikamentenbezogene Störungen“.
Die weiter stark stigmatisierte „alkoholbedingte Störung“ wird als größte Herausforderung gesehen. 200 Menschen sterben täglich durch Alkoholmissbrauch, heißt es. Zugleich werden die meisten Behandlungsbedürftigen gar nicht behandelt. Von den Personen mit schwerer Alkoholkonsumstörung, die einen stationären Entzug benötigen, erhielten nur 14 Prozent einen solchen. Den größten Verbesserungsbedarf sehen die Experten daher in „der Etablierung flächendeckender Früherkennung und Frühintervention“.
Doch auch Rauchen bedroht bekanntlich massiv den ganzen Körper. Er verursache jährlich mehr Todesfälle als durch AIDS, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Morde und Suizide zusammengenommen, hieß es. Empfohlen werden hier vor allem verhaltenstherapeutische Interventionen bzw. Psychopharmaka.
Aus dem Streitthema E-Zigaretten als Mittel zur Nikotinreduktion halten sich die Leitlinienexperten heraus. Hierzu heißt es (in der Kurzfassung): „Die Befundlage hinsichtlich Wirkung und Risiken der E- Zigarette in der Tabakentwöhnung ist uneinheitlich, mit Hinweisen auf ein Entwöhnungspotential und auf langfristige Risiken dieser neuen Produkte.“ Eine Empfehlung gibt es nicht. Das rief umgehend den Frankfurter Suchtexperten Prof. Heino Stöver auf den Plan. „Es ist mir vollkommen schleierhaft, wie es passieren konnte, dass ausgerechnet bei einem der zentralen Gesundheitsthemen der Republik, der Rauchentwöhnung, die jüngsten Erkenntnisse zur Schadensminimierung ignoriert wurden“, so Stöver mit Verweis auf einen Appell der „Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin“ (DGS e.V.) , die gefordert habe, die E-Zigarette zur Unterstützung der Tabakabstinenz zu berücksichtigen. Die Leitlinie fahre weiter „den Kurs einer rückwärtsgewandten Antiraucherpolitik“, kritisiert Stöver, der sich seit Jahren für einen sogenannten Tobacco Harm Reduction-Ansatz v.a. mittels E-Zigaretten stark macht. (hin)
(Einen ausführlicheren Bericht lesen Sie in unser nächsten Printausgabe EPPENDORFER 2/2021, die Anfang März erscheint)