Dauerbrenner Pflege

Mängel in der Pflege alter Menschen bleiben ein Dauerbrenner. Foto: pixabay

Der Pflegekritiker Claus Fussek warnt eindringlich davor, Missstände in der Pflege hinzunehmen. „Wenn wir das zentrale Thema Pflege nicht sehr bald in den Griff bekommen, dann müssen wir uns offen und ehrlich mit Formen der aktiven Sterbehilfe befassen”, sagte der 65 Jahre alte Münchner Sozialpädagoge dem Evangelischen Pressedienst. Der jüngste Pflege-Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen  weist auf  Verbesserungen – und auf weiter existierende Mängel in der Pflege

 Claus Fusseks Bilanz nach 40-jährigem Einsatz für eine humane Pflege in Deutschland fällt ernüchternd aus. Nach wie vor lägen in deutschen Pflegeheimen hilfsbedürftige Menschen stundenlang in ihren Ausscheidungen. Einer der maßgebenden Schwachpunkte des Pflegesystems sei der extreme Personalmangel, erklärt der Experte. Da Pflegekräfte händeringend gesucht würden, könnten sich die Pflegeschulen ihre Auszubildenden kaum aussuchen. So machten häufig auch ungeeignete Bewerber eine Ausbildung zur Pflegekraft.

Trotz allem gebe es aber auch Positives, zum Beispiel vorbildliche Pflegeheime. Das Zauberwort dort laute „Wertschätzung”, sagt Fussek. Gemeint sei damit die Wertschätzung aller Mitarbeiter: von den Pflegekräften bis hin zu den Helfern im Putzdienst oder in der Küche. So entstehe eine positive Atmosphäre. Der Krankenstand und die Fluktuation der Mitarbeiter seien dort geringer, erklärt er. Und zusammen mit den Angehörigen entstehe auf diese Weise eine Art „Frühwarnsystem”, wodurch Missstände vermieden würden.

Für Angehörige sei die Nähe zum Pflegeheim wichtig, betonte Fussek. Denn nur so könnten diese sich einbringen. Wenn pflegebedürftige Menschen nicht mehr zu Hause leben könnten, sei das wichtigste Ziel, dass ihnen das Pflegeheim ein weitgehend selbstbestimmtes Leben ermögliche. „Auch als Heimbewohner will ich entscheiden können, wann ich aufstehe und wann ich zur Toilette gehen kann”, sagte er.

Im 5. Pflege-Qualitätsberichts des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS) bemängelt werden bei der stationären Pflege in Heimen besonders die Schmerzbehandlung und unzureichende Wundversorgung. Bei der ambulanten Pflege stießen die Prüfer auf Defizite bei der Intensivpflege und der Beratung der Pflegebedürftigen.

Leichte Verbesserungen gebe es dagegen bei der Dekubitusprophylaxe – also bei Maßnahmen, die das Wundliegen von Pflegebedürftigen verhindern -, bei der Prophylaxe gegen Stürze und bei freiheitsentziehenden Maßnahmen, hieß es. Erstmals wurden zudem Ergebnisse aus den Abrechnungsprüfungen in der ambulanten Pflege veröffentlicht.

Grundlage des Berichts sind Daten aus über 26.000 Qualitätsprüfungen, die im Jahr 2016 in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten durch den MDK stattgefunden haben. Die MDK-Prüferinnen und Prüfer untersuchten dabei die Versorgungsqualität bei 175.000 pflegebedürftigen Menschen.

Auch wenn noch einiges zu tun sei, entwickele sich die Pflegequalität insgesamt in die richtige Richtung, sagte der Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Gernot Kiefer bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Allerdings müssten sich die Bedingungen für die Pflegekräfte verbessern, damit sich mehr Menschen dauerhaft für diesen Beruf entscheiden.

Zudem sei mehr Transparenz in die Pflegebranche nötig. Die 2009 eingeführten Pflegenoten lieferten nur ein „unscharfes Bild” und böten den Pflegediensten und Pflegeheimen immer noch die Möglichkeit, schlechte Qualität zu verstecken. “Derzeit arbeitet die Wissenschaft an einem neuen System und wir erwarten, dass wir Ende dieses Jahres mit der Umsetzung beginnen können”, sagte Kiefer.

Verschlechterungen in der stationären Pflege gab es unter anderem bei den Gewichtskontrollen, sagte MDS-Geschäftsführer Peter Pick. Bei jedem vierten Heimbewohner sei das Gewicht nicht kontrolliert (24,9 Prozent) worden, obwohl Gefahr für einen erheblichen Gewichtsverlust bestand. Auch bei der Wundversorgung nach dem aktuellen Wissenstand fielen die Ergebnisse mit 75,6 Prozent schlechter aus als drei Jahre zuvor (79 Prozent), hieß es.

Mehr als ein Drittel der Pflegedienste in Deutschland rechnet ihre Leistungen nicht korrekt ab. Bei 35,2 Prozent der geprüften Pflegedienste stellten die MDK-Prüfer mindestens eine Auffälligkeit fest, wie MDS-Pflegeexperte Jürgen Brüggemann sagte. Knapp sieben Prozent der Pflegedienste zeigten mit sechs und mehr Ungereimtheiten gehäufte Auffälligkeiten. “Zugleich wiesen 64,8 Prozent der Pflegedienste keine Auffälligkeiten auf”, sagte Brüggemann. (epd)