„Charité“ geht in Serie

Die Waise Ida (Alicia von Rittberg) wird als Patientin an der Charité operiert und muss als Hilfsschwester ihre Behandlungskosten abarbeiten. Dabei trifft sie auf herausragende Mediziner wie Rudolf Virchow (Ernst Stötzner, r.). Foto: © ARD/Nik Konietzny

BERLIN. Es ist das „Eventserienereignis“ des Frühjahrs in der ARD: Zum ersten Mal im deutschen Fernsehen wird mit „Charité“ eine historische Krankenhausserie gezeigt. Die von Regisseur Sönke Wortmann inszenierten sechs Folgen spielen Ende des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen drei spätere Nobelpreisträger – Robert Koch, Emil Behring und Paul Ehrlich – und, nicht zu vergessen, der überragende Mediziner Rudolf Virchow. Sie alle arbeiteten und forschten damals zusammen an der Charité. „Dank der engen Zusammenarbeit mit medizinhistorischen Beratern gibt ,Charité’ mit großer Genauigkeit den historischen Stand der Medizin wieder“, heißt es im Presseheft. Vorschusslorbeeren gab es dort von Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité. Er äußerte sich „begeistert von der großartigen Zusammenarbeit und dem überzeugenden Ergebnis dieses außergewöhnlichen Filmprojekts“.
Um 1888 zur Zeit bahnbrechender Forschungen waren die Verhältnisse im Krankenhaus bescheiden: Die Klinik verfügte weder über elektrisches Licht noch über fließendes Wasser. Geheizt wurde mit Torf und operiert bei Gaslicht, nachts auch bei Kerzenschein. Für die 20 Patienten eines Krankensaals gab es ein gemeinsames Plumpsklo in einem Wandschrank. Wer genug Geld hatte, ließ sich lieber zu Hause behandeln. Das Röntgen war noch nicht erfunden, Antibiotika und Bluttransfusionen waren unbekannt, Narkose und Desinfektion steckten noch in den Kinderschuhen. Im Vordergrund standen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Diphtherie, Syphilis, Typhus und Cholera. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 35 Jahren waren Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen selten.

Die Geschichte der Charité wird aus dem Blickwinkel der jungen Ida erzählt: einer mittellosen Patientin, die ihre Behandlungskosten im Krankenhaus abarbeiten muss und dabei ihre Liebe zur Medizin entdeckt – und zu Ärzten … Am Blinddarm operiert wird sie von dem jungen Stabsarzt Emil Behring (Matthias Koeberlin), einer der wenigen, der diesen damals revolutionären operativen Eingriff beherrscht. Er bewirbt sich um die Mitarbeit beim berühmten Institutsleiter Robert Koch (Justus von Dohnányi), der an einem Heilmittel gegen die Tuberkulose arbeitet, die zu jener Zeit meistverbreitete Todesursache. Die Stelle in Kochs Labor bekommt jedoch Behrings Rivale Paul Ehrlich (Christoph Bach).

Privat leidet Behring an Opiumabhängigkeit und „periodischem Irresein“, er ist manisch-depressiv. Auch das Privatleben des berühmten Robert Koch gerät arg in Turbulenzen: Der verheiratete 46-Jährige hat eine Affäre mit der 17-jährigen Künstlermuse Hedwig Freiberg.
„Die Details aus dem Leben der historisch verbürgten Arzt-Figuren hätten wir gar nicht besser erfinden können“, so die Drehbuchautorinnen. Die Geschichten der Ida sowie der Oberin und der Schwestern bzw. „Wärterinnen“ hingegen sind erfunden. Ihre Konflikte aber nicht: So war das Verhältnis zwischen Diakonissen und weltlichen „Wärterinnen“ schwierig, und emanzipatorische Bestrebungen von Frauen wie Ida, Medizin studieren zu dürfen, wurden öffentlich angegriffen und lächerlich gemacht.
Als die Autorinnen 2008 mit ihren Recherchen begannen, dachten sie an ein Filmprojekt zum 300-jährigen Jubiläum der Klinik 2010. Doch aus den geplanten zwei Jahren wurden neun, und aus der angedachten Doku-Fiction wurde eine Spielfilmserie. Die allerdings durch eine Dokumentation ergänzt wird, die am 21. März um 21.50 Uhr, direkt im Anschluss an die ersten beiden Folgen, gezeigt wird. Sie präsentiert seltene Archivaufnahmen, historische Fotos und Zeitzeugen- und Experteninterviews von berühmten und vergessenen Patienten.
Weitere Folgen: 28. 3., 4., 11. und 18.4.                                            A. Hinrichs